Warum dürfen Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), nicht Blut spenden? Wie Stigmata das Gesundheitswesen beeinflussen.

«Hatten Sie jemals sexuellen Kontakt unter Männern? Hatten Sie sexuellen Kontakt unter Männern in den letzten 12 Monaten?» Diese Fragen stehen auf dem Fragebogen, den ein Mann vor der Blutspende ausfüllen muss. Wenn eine dieser Fragen mit «Ja» beantwortet wird,, kann man als Blutspender zurückgewiesen werden.

Ein Verbot

Im Jahr 1988 wurde es Männern in der Schweiz lebenslänglich verboten, Blut zu spenden, sollten sie einmal Geschlechtsverkehr mit Männern gehabt haben.. Zu der Zeit wurden in den Vereinigten Staaten erste Fälle von AIDS entdeckt. Der erste Bericht darüber wurde 1981 vom Centers for Disease Control and Prevention veröffentlicht und beschrieb die Fälle von fünf jungen schwulen Männern, welche wegen «schwerwiegender Infektionen» hospitalisiert wurden. Kurz darauf berichtete The New York Times über 41 Homosexuelle, die mit Kaposi-Sarkom diagnostiziert wurden, einer auch bei AIDS auftretenden Krebserkrankung, wie man heute weiss. Die medizinische Gemeinschaft meinte, eine Verbindung zwischen Homosexualität und diesen Symptomen erkannt zu haben. Sie erfand dafür den Begriff «GRID», Akronym für «gay-related immune deficiency». Man benutzte auch Begriffe wie «gay cancer» oder «homosexual syndrome». Bald erkannten jedoch Gesundheitsfachleute, dass etwa die Hälfte der Personen, welche an den gleichen Krankheitserscheinungen litten, nicht homosexuell waren. Schliesslich wurde «GRID» 1982 offiziell in «AIDS» umbenannt, Akronym für «acquired immune deficiency syndrome».

Eine kleine Lockerung

2016 forderte Blutspende SRK vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic die Aufhebung des Blutspendeverbots für homosexuelle Männer – jedoch mit einer strengen Bedingung: MSM mussten sich an eine 12-monatige sexuelle Abstinenz vor der Blutspende halten. Ein pauschales Blutspendeverbot sei unnötig, da nicht die sexuelle Orientierung, sondern allein das Risikoverhalten, wie zum Beispiel mehrere Sexualpartner*innen zu haben, ausschlaggebend für das Ausschlusskriterium sein solle, meint der Europäische Gerichtshof. Das Gesuch der Blutspende SRK wurde dann 2017 von Swissmedic bewilligt und das vollkommene Verbot im selben Jahr gelockert – 29 Jahre nach der Verbotseinführung.

Faktisch aber würden MSM trotzdem kein Blut spenden dürfen, meint PINK CROSS, der Schweizer Dachverband der schwulen und bi-Männer*. Er stellte  die Forderung an Swissmedic, die 12-monatige Rückweisung nach dem letzten Sexualkontakt bei MSM aufzuheben und eine Beurteilung aufgrund des Risikoverhaltens und nicht aufgrund der sexuellen Orientierung zu tätigen.

Ein, zwei Diskriminierungen

Vier Jahre später wurden diese Forderungen immer noch nicht angenommen. Heute steht auf der offiziellen Webseite der Blutspende SRK über die 12-monatige Abstinenz bei MSM: «Diese Frist soll sicherstellen, dass das Risiko einer Krankheitsübertragung weiterhin sehr tief bleibt.» Es stellt sich aber die Frage, warum dieses Verbot nicht auch bei Leuten greift, die heterosexuellen Geschlechtsverkehr haben.

Diego Menendez, der sich als schwul und cis identifiziert, wollte zweimal sein Blut spenden und wurde immer abgewiesen. Er erklärt: «Ich ging mit meinem Freund zur Blutspendenstation. Wir hatten keinen sexuellen Kontakt mit anderen Männern und hatten auch keine sexuell übertragbaren Krankheiten, was wir zuvor getestet hatten. Nachdem wir den Fragebogen ausgefüllt haben, hat das Personal gesagt, dass wir Antihistamin im Blut hätten und deswegen zur Zeit nicht spenden dürften. Später gingen wir wieder hin und hatten immer noch kein Risikoverhalten begangen. Das Personal verweigerte uns die Blutspende ein zweites Mal und sagte uns, dass wir auf einer roten Liste seien und lebenslänglich nicht mehr Blut spenden dürfen.» Ohne den beiden genau zu erklären, was falsch an ihrem Blut ist, seien sie abgewiesen worden. «Ich finde das wirklich schade.  Sowohl meine als auch die Blutgruppe von meinem Freund könnte jedem Menschen gespendet werden.»

Text & Illustration: Brigitte Gong