Das FIFF ist wie jedes Jahr nach Freiburg zurückgekehrt und Spectrum war natürlich mit dabei. Die Filme entführen die Besucher:innen in entfernte Kulturen. Einer davon war «Only the river flows», ein chinesischer Thriller, der letztes Jahr in China in die Kinos kam. Im China der 90er Jahre versucht der Detektiv Ma Zhe, die Hintergründe einer Mordreihe aufzuklären. Die Handlung spielt in einer ländlichen Stadt in Südchina und der Film ist gezeichnet durch regnerische Wolken, welche diesen Ort niemals zu verlassen scheinen. Zu Beginn beobachtet man, wie eine alte Frau am Ufer des Flusses erschlagen wird. So beginnt die Mordserie. Die verdächtigten Personen wechseln im Verlauf des Films. Zu Beginn fällt der geistig beeinträchtigte Adoptivsohn der alten Frau in den Fokus, ein scheinbar einfaches Opfer, um ihm einen Mord anzuhängen. Ma Zhe ist jedoch nicht recht überzeugt und verfolgt weitere Spuren. Einige der Verdächtigten sterben im Verlauf des Films auf absurde Art und Weise. Zuweilen ist nicht sicher, ob die abgespielte Szene lediglich eine Traumvision Ma Zhes ist, oder ob diese wirklich stattfindet. Dass die Kamera aus dem Blickpunkt des oder der Täter:in die Opfer beobachtet, vereinfacht den Realitätscheck für die Zuschauer:in nicht. Ein allgemeiner Schock geht durch das Publikum des Kinos, als etwa plötzlich eine Leiche auf das Auto des Detektivs fällt. Danach ertönt Gelächter im ganzen Saal. Der Regisseur Wei Shujun schafft es, unerwartet gruselige und deswegen zugleich lustige Momente einzubauen. In anderen Szenen wartet man mit viel Anspannung auf den jump scare, ohne dass dieser je kommt.
Trotz unfreiwillig lustiger Momente ist die generelle Atmosphäre des Films bedrückend, wie die ewigen Wolken über dem Städtchen. Zwischen den unendlichen Rauchschwaden der Zigaretten prasselt der Regen an die Fenster und Ma Zhe und seine schwangere Ehefrau schweigen sich an; ungewiss, ob sie die Schwangerschaft mit einem Kind mit Beeinträchtigung abbrechen oder weiterführen sollen. Der Film verbindet Horrorelemente mit Krimi und Kritik an gesellschaftlichen Missständen. So zeigt der Regisseur, wie sich die Bevölkerung der Kleinstadt lustig macht über den geistig beeinträchtigten Adoptivsohn der alten Frau. Auch eine heimliche Liebe und eine Transfrau, welche aufgrund ihrer Identität Probleme mit der Polizei erlebte, kommen im Film vor. Die verdächtigen Stadtbewohner:innen scheinen sich eher von der Polizei bedroht zu fühlen, als deren Arbeit am Mordfall zu schätzen.
Der Film ist zu empfehlen für Personen, die einen düsteren, unkonventionellen Thriller in einem ländlichen Setting mögen, gleichzeitig aber damit zufrieden sind, ihrer eigenen Fantasie Lauf zu lassen, was das Ende des Films und die Hintergründe der Morde angeht.
Text Amélie Oberson
Foto © Festival du Film de Fribourg (FIFF)
Only the River Flows
Regie: Wei Shujun
Drehbuch: Yu Hua, Chunlei Kang, Wei Shujun
Hauptbesetzung: Yilong Zhu, Chloe Maayan, Hou Tianlai
Jahr: 2023
FIFF-Kategorie: International Competition: Long Films