Was bedeutet das orangene Label, woher kommt es und was hat Rudolf Steiner damit zu tun?

Im Supermarkt schon einmal über Produkte mit einem orangenen Label gestolpert, die durch ihren aussergewöhnlich hohen Preis hervorstechen? Das sind Demeter-Produkte. Demeter ist ein Qualitätslabel für Lebensmittel. Es folgt anderen, strengeren Regeln als das Bio-Label. Der Schweizerische Demeter-Verband beschreibt es als die älteste biologische Anbaumethode. Und der Ursprung des Labels liegt in der Anthroposophie.

Ganzheitlich – biodynamisch

Bei Demeter seien Tiere, Menschen, der Boden und die Pflanzen in einen Kreislauf eingebunden. Diese Arbeitsweise nennt man ganzheitlich. Für einen den Vorgaben entsprechenden Anbau eines Demeter-Produkts müssen alle Teile gepflegt werden – denn sie beeinflussen sich gegenseitig. Die offiziellen Organe des Demeter-Labels beleuchten ihre Arbeitsweise aus dem Licht der Nachhaltigkeit, Tier- und Naturfreundlichkeit: Die Demeter-Landwirt:innen düngen mit tierischem Mist. Tiere und Pflanzen liefern einerseits Nahrungsmittel, andererseits Dünger in Form von Kompost. Kühe dürfen ihre Hörner behalten. Milch wird nicht homogenisiert. Auch die Produzent:innen werden angemessen bezahlt. Die Bezeichnung «biodynamisch» bezeichnet spezifische Merkmale der Landwirtschaftsform: die Förderung der Bodenfruchtbarkeit, die Herstellung von eigenem Dünger auf dem Hof sowie die artgerechte Haltung der Tiere – um nur einige zu nennen. Doch das ist nicht alles, was hinter dem Demeter-Etikett steckt.

Rudolf Steiner und die Anthroposophie

Der Ursprung der biodynamischen Landwirtschaft liegt bei Rudolf Steiner. Der Begründer der Anthroposophie ist auch bekannt für die Steiner-Schulen. Neben der Entwicklung von Reformpädagogik setzte er sich auch mit landwirtschaftlichen Fragen auseinander. Diese betrachtete er immer in Verbindung mit der Anthroposophie, einer esoterischen und spirituellen Philosophie der Weltanschauung. Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Anthroposophie «die Weisheit des Menschen». Sie stellt den Menschen ins Zentrum und befasst sich mit der spirituellen Welt. Um den Menschen zu verstehen, müsse man über die Naturwissenschaft hinausgehen – und in die «Wissenschaft des Geistes» eintauchen. Dies soll durch das Spirituelle und das Bewusstsein der Menschen möglich sein. Auch die Einflüsse des Kosmos sind wichtig: Beispielsweise säht man auf vielen Demeter-Höfen nach dem Mondkalender aus. Die Naturkosmetikmarke Weleda und die anthroposophische Medizin sind ebenfalls aus Steiners Ideen entstanden.

Demeter-Bäuer:innen müssen laut der Webseite des Schweizerischen Demeter-Verbands nicht zwingend (bekennende) Anthroposoph:innen sein. . Dennoch haben sich Steiners Methoden bei Demeter keineswegs in Luft aufgelöst – zum Beispiel bei der Herstellung von Dünger. Bis heute wird für den sogenannten Hornmist ein mit Kuhfladen gefülltes Kuhhorn vergraben. Für Steiner war das Horn die Verbindung der Kuh mit dem Überirdischen – und somit voll mit kosmischer Energie. Nach einem halben Jahr graben es die Landwirt:innen wieder aus. Hundert Gramm des Kuhfladens verdünnen sie mit dreissig Litern Wasser. Dieses verrühren sie eine Stunde lang – damit die enthaltene Energie und die Substanzen auf das Wasser übertragen werden. Der Ablauf erinnert an homöopathische Verdünnungsmethoden. Durch Schütteln mischt man in der Homöopathie Arzneisubstanzen sehr dünn mit Wasser. Oft ist der ursprüngliche Wirkstoff danach nicht mehr nachweisbar.

Doch bringt das überhaupt etwas?  Bei dieser Frage scheiden sich die Geister.

Nur Geschwurbel?

Kritische Stimmen wie André Sebastiani bezeichnen die Anthroposophie als pseudowissenschaftliche Lehre. Auch die Wirkung der biodynamischen Präparate zweifeln sie an. Demeter beruft sich zwar auf einzelne wissenschaftliche Studien, räumt allerdings ein, dass man nicht alle Wirkungen wissenschaftlich belegen könne.

Die Nähe des Demeter-Labels zu Querdenker-Bewegungen oder Verschwörungstheorien wurde in den Medien diskutiert – vor allem während der Coronapandemie. Offiziell distanziert sich der Schweizerische Demeter-Verband von «antiaufklärerischen Strömungen mit menschenverachtendem und diskriminierendem Inhalt».  Aber was einzelne Demeter-Mitglieder vertreten, liegt natürlich nicht in den Händen der offiziellen Organe.

Kaufen oder Nicht-kaufen, das ist hier die Frage

Ob man Demeter-Produkte nun kaufen oder nicht kaufen sollte, kann man nicht für die Allgemeinheit beantworten. Stimmt die anthroposophische Philosophie mit der eigenen überein, ist die Frage wohl überflüssig.  Demeter repräsentiert einerseits nachhaltige und tierfreundliche Werte. Die anthroposophischen Werte andererseits passen nicht in jeden Einkaufskorb.

Wer ist Demeter? In der griechischen Mythologie ist Demeter die Göttin der Fruchtbarkeit der Erde sowie die Beschützerin des Ackerbaus und des Getreides. Ihre Attribute sind die Weizenähre und der Mohn.  Ein passender Name also für eine Art und Weise Landwirtschaft zu betreiben.

Text und Foto Angelika Scholz