Im Bernischen Historischen Museum ist momentan die Ausstellung «Vom Glück vergessen» zu sehen. Sie zeigt die Geschichte von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in der Schweiz.  

Seit dem 20. Februar 2025 ist im Bernischen Historischen Museum die Ausstellung «Vom Glück vergessen – Fürsorgerische Zwangsmassnahmen in Bern und der Schweiz» zu sehen. Premiere feierte die Ausstellung im Jahr 2020 im Kanton Graubünden. Sie war Teil eines Aufarbeitungsprozesses der bündnerischen Kantonsregierung. Seither war sie in verschiedenen Museen in der Schweiz zu sehen, nun also auch in Bern. Dafür wurde der Inhalt der Ausstellung auf den Kontext des Raumes Bern angepasst.  

Die Ausstellung befasst sich mit unterschiedlichen Arten fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, die teilweise bis in die 1970er Jahre eingesetzt wurden. Es wird thematisiert, dass diese Massnahmen dafür da waren, die Betroffenen zu «nützlichen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft zu erziehen». Es betraf Menschen, deren Leben nicht den sozialen Normen entsprach. Dazu gehörten arme Familien, Fahrende, Menschen mit ausserehelichen Beziehungen oder «schwererziehbare Kinder». Der Ansatz war der, dass die Art, wie diese Menschen lebten, schädlich für die Gesellschaft sei. Die Massnahmen sollten also «zum Wohle der Gesellschaft» beitragen.

Persönliche Geschichten 

Ein gratis Audioguide begleitet die Besucher:innen durch die Ausstellung. Darin werden die Geschichten von vier Betroffenen erzählt: Einerseits die von Ida Gerber, einer Emmentalerin, die aufgrund des Vorwurfs der Prostitution immer wieder im Gefängnis landete. Einfach, weil sie mit ihrem «Schatz» nicht verheiratet war. Andererseits die Geschichte der Grossfamilie Albin (Name geändert), die aufgelöst wurde. Der Grund? Armut. Der Vater war Alkoholiker und konnte die Familie nicht versorgen. Da das Haus schmutzig war, wurden die Kinder als schlecht versorgt erklärt. Die «Lösung» der Regierung für arme Grossfamilien in den 1950ern war es, die Familien aufzulösen – angeblich zu ihrem Wohl.  

Die dritte Geschichte ist die eines Verdingbubs namens Ruedi Hofer (Name geändert). Er zog in seiner Kindheit von Bauernhof zu Bauernhof, wo er im Stall arbeiten und schlafen musste. Er erzählt, wie Verdingkinder behandelt wurden: Sie wurden in Käfige gesteckt und über sie wurde verhandelt, als wären sie Tiere.  

Auch die Geschichte von Heinz Kräuchi wird geschildert, der nach der Scheidung seiner Eltern in den 1970er Jahren in ein Kinderheim kam. Dort erlebte er Missbrauch und Gewalt. 

 

Verdingkinder waren oft Waisen oder Scheidungskinder, die fremdplatziert wurden. Sie wurden auf dem sogenannten Verdingmarkt versteigert und als günstige Arbeitskraft ausgenutzt. Dabei hatten sie selbst kaum Rechte. Von den Pflegefamilien, bei denen sie untergebracht waren, wurden sie oft misshandelt. 

 

Die letzte Geschichte handelt von Uschi Waser. Das Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» nahm sie ihrer Familie immer wieder weg, weil sie das Kind einer jenischen Mutter war. Als sie ihre Akten, die vom Hilfswerk gesammelt wurden, als Erwachsene einsehen kann, durchlebt sie ein weiteres Trauma. 

Die Geschichten der fünf Betroffenen werden anhand von Kartonbauwerken zum Leben erweckt. So wurde zum Beispiel der Stall von Ruedi Hofer, die Gefängniszelle von Ida Gerber und die Küche der Familie Albin nachgebaut. Damit tauchen die Besuchenden noch mehr in die Geschichte ein, was das Erzählte noch emotionaler macht.  

Aufarbeitungsprozesse 

Ein gesellschaftliches Umdenken bezüglich vieler solcher Massnahmen fand erst in den 1970ern statt. Trotzdem wurden auch noch Anfang der 2000er Aufarbeitungsmassnahmen abgelehnt. Mittlerweile haben 10’826 Personen einen Solidaritätsbeitrag erhalten. Eine kleine Entschädigung für das Trauma, welches sie erleiden mussten. Insgesamt waren über die Jahre mehrere 100’000 Menschen von solchen Massnahmen betroffen, davon mindestens 50’000 im Kanton Bern. 

Als Zeichen gegen das Vergessen gibt es vor dem Eingang zur Ausstellung eine Wand voller weisser Punkte, welche Betroffene repräsentieren. Über hundert schrieben ihren Namen neben einen Punkt. Das soll für mehr Sichtbarkeit der Betroffenen sorgen. 

Am Ende der Ausstellung gibt es zudem eine Reihe von Büchern und anderen weiterführenden Quellen, die Aufklärung rund um fürsorgerische Zwangsmassnahmen bieten. Alles in allem leistet die Ausstellung einen Beitrag, um die Geschichten der Betroffenen nicht zu vergessen. 

Die Ausstellung «Vom Glück vergessen» ist noch bis am 1. März 2026 im Historischen Museum in Bern zu sehen.  

https://www.bhm.ch/de/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen/vom-glueck-vergessen  

Text Lina Hofmänner

Foto Lina Hofmänner