Jeder hat sie schon gesehen. Wer der Route-Neuve entlang in die Freiburger Altstadt hinunterfährt um in der Motta ein paar Längen zu schwimmen. Wer im Beauregard durch den Skatepark spaziert, von der Terrasse hinter dem Fribourg Centre schaut oder im Café Populaire sitzt. Graffitis sind überall.

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Mit Graffitis sind nicht irgendwelche Schmierereien gemeint. Sondern sauber ausgeführte und in aller Farbenpracht strahlende Schriftzüge, violette Taubenköpfe mit humanen Zügen oder abstrakte zweiköpfige Menschen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Street Art ist überall und mittlerweile salonfähig geworden. Der amerikanische Künstler Shepard Fairey zum Beispiel, besser bekannt unter dem Namen Obey, hat 2008 das „Hope“-Plakat für Barack Obama entworfen. 2006 fand in Los Angeles eine Ausstellung von Banksy statt, einem Strassenkünstler, der in totaler Anonymität lebt. Die Austellung hatte er nicht mal selbst durchgeführt. Trotzdem zog sie innerhalb von sechs Wochen 300’000 Personen an.

graffiti_nsu4Gut vernetzte Künstler

In Freiburg sind die Namen zwar unbekannter, die Kunst jedoch nicht minder. Im Jahr 1998 wurde die KNA Crew von Medya, Sims, Rocos und Rustre aus der Freiburger Altstadt gegründet. Es ging den vier Künstlern darum, ihre Leidenschaft auszuüben, indem sie nicht nur ihr Blackbook, sondern auch Freiburger Wände bemalten. Über die Jahre kamen immer mehr Leute dazu, Crews trennten sich und neue wurden gebildet. Plötzlich kamen Kontakte zu Sprayern aus anderen Regionen auf. So kamen Ares und Sope aus dem Sensebezirk, mit denen Medya und andere Writer aus Bern und Thun die SKB Crew bilden. Philo aus Murten und andere Künstler, sogar aus Basel, kamen öfters nach Freiburg, um mit den lokalen Sprayern zusammenzuarbeiten. Und auch Freiburg selbst brachte und bringt immer wieder neue Künstler hervor, wie Jack Little, Carv und Pams. Im Endeffekt sei Graffiti ein kleiner Mikrokosmos, wo alle mit allen vernetzt sind, erzählt mir Medya. Die Crews, mit welchen er sprüht, sind noch recht überschaubar: „Ich kenne jeden von ihnen, aber nicht jeden gleich gut. Von manchen kenne ich Kindheitsgeschichten und von manchen knapp den Namen“. Daneben gibt es internationale Crews mit über 20 Writern, von denen sich manche noch nie gesehen haben, geschweige denn zusammen gesprayt.

Da es in Freiburg nur einen Laden mit einer kleinen Auswahl an Spraydosen gab, musste man immer wieder nach Bern um sich neu einzudecken. Ziemlich mühsam, sagten sich Medya und seine Freundin, die unter dem Namen Drasskovic sprüht. Durch Zufall erfuhr Medya, dass ein Bekannter von ihm sein Geschäftslokal untervermieten wollte und so fingen Medya und Drasskovic an, bei Freunden und Verwandten Geld auszuleihen um die erste Grossbestellung an Spraydosen und anderen Produkten zu finanzieren. Nach knapp sechs Wochen zogen die Asphalt Kreatorz in der Route-Neuve 7 ein.

Kreativer Platz ist knapp

Medya erklärt, dass Asphalt Kreatorz, anders als man es vielleicht denkt, nur der Name des Shops ist, den er und Drasskovic halten. Das Kollektiv, in welchem neben ihnen beiden noch ungefähr 15 andere Writer sind, nennt sich Couleurs Triangles und ist eine Non-Profit-Organisation, welche man unter anderem für Anlässe buchen kann. Sie haben zum Beispiel das Centre de loisirs du Jura bemalt und geben auch Workshops für die Kleinsten, die diese Kunstform ausprobieren wollen. Ebenfalls sind sie immer wieder auf der Suche nach neuen Spots um legal zu malen. Denn der einzige Ort, den die Stadt ihnen gegeben hat, ist der Skatepark im Beauregard-Quartier, sagt Medya mit nicht versteckter Enttäuschung. Alle anderen Plätze wurden von verschiedenen Sprayern selbst organisiert. Da musste man mit dem Besitzer des Platzes Kontakt aufnehmen und hoffen, dass man auf Verständnis trifft. Meistens ging es daneben, doch manchmal, wie im Falle des „Spot AK“ in der Route-Neuve, waren die Besitzer so begeistert von der Idee, dass sie die Writer ermutigten weiterzusprayen.

Street Artist Askys bei der Arbeit an der Route-Neuve
Street Artist Askys bei der Arbeit an der Route-Neuve

Es gibt drei Motivationen um mit dem Sprühen anzufangen, meint Medya. Der sportliche Wettkampf, das Ausleben der kreativen Ader und das Hobby. „Manche gehen auf den Sportplatz, wir nehmen die Spraydose in die Hand“. Medya sagt auch, dass bei den meisten Writern die Mischung dieser drei Komponenten vorhanden ist. Bei manchen ist eine dieser drei Adern mehr ausgeprägt als die anderen. Manche versuchen ihre Graffitis an den unmöglichsten Orten zu sprayen um zu zeigen, dass sie „die Besten“ sind. Andere verfeinern ihre Technik und suchen immer nach neuen Motiven um ihre kreative Ader auszuleben, „und manche müssen einfach mal Stress abbauen und auf andere Gedanken kommen“, meint Medya grinsend.

Nur wenig weibliche Street Art

Die Graffitiszene wird von Männern dominiert. Nur sehr wenige Frauen greifen zur Spraydose. Wieso das so ist, weiss niemand genau. Man vermutet jedoch, dass am Beginn einer Sprayerkarriere jugendliche Rebellion, der Kick des Illegalen und die Möglichkeit, Graffiti als Ventil für angestaute Energien zu verwenden, stehen. Alles eher maskuline Merkmale. In Freiburg findet man jedoch einige Writerinnen. Drasskovic, M und Founzy halten die Fahne für die Sprayerinnen in Freiburg hoch. Mittlerweile bildet sich eine immer grösser werdende Community von Writerinnen, mit eigens für sie geschaffenen Jams und Magazinen, die ausschliesslich von Frauen gesprayte Graffitis abbilden. Zum Beispiel das Catfight Magazine, das in Holland gedruckt wird und über das internationale Geschehen informiert.

Mehr Infos für Interessierte gibt’s unter: www.asphaltkreatorz.blogspot.ch

Von Adrien Woeffray (Fotos: Nadja Sutter)

Foto: Nadja Sutter