Ein sexistisches Werbeplakat der reinen Männerverbindung Zofingia warf im letzten Semester Fragen über die Gesinnung der Organisation auf. Dabei rückte eine Sache speziell in den Vordergrund: Widersprechen reine Männerverbindungen dem Gedanken der Gleichberechtigung?
„Wir schätzen Frauen sehr … nur nicht donnerstags.“ Das waren die Worte auf einem Werbeplakat vom letzten Semester. Es hing an verschiedenen Stellen auf dem Campus unserer Universität. Darunter prangten das Logo und der Name der Werbenden: die Studentenverbindung Zofingia. Die Worte an sich waren weniger das Problem, als das Bild, das zwischen den zwei Teilsätzen abgedruckt war: Victoria’s Secret Models in Reizwäsche und in naiv-verspielter Pose.
Richtlinien der Universität missachtet?
Spectrum hat mit Geneviève Beaud Spang, der Verantwortlichen des Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Freiburg, (BFG) über das Werbeplakat gesprochen. Beaud Spang war das Plakat bereits bekannt. Sie bezeichnet es als sexistisch und diskriminierend Frauen gegenüber. Dies weil Frauen insbesondere durch das Bild in einem sehr limitierten Rahmen betrachtet werden; nämlich nur als sexuell begehrenswerte Objekte. „Diese Reduzierung auf das Physische verletzt die Würde der Frau“, sagt Beaud Spang.
Universitätsangestellte sind durch das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau vor sexueller Belästigung geschützt; das Rektorat der Universität Freiburg hat im Februar 2003 zusätzlich Richtlinien betreffend Massnahmen gegen sexuelle Belästigung an der Universität erlassen (abrufbar unter www.unifr.ch/egalite), um auch Studierende zu schützen. Dort wird erwähnt, dass „sexuelle Belästigung eine schwerwiegende Verletzung der persön- lichen Würde und Integrität darstellt“. Unter anderem werden auch „sexistische Äußerungen und Witze“ als sexuelle Belästigung taxiert. Laut Geneviève Beaud Spang könnte das Plakat der Zofingia in diese Kategorie der sexuellen Belästigung fallen. Das Kantonale Gleichstellungsbüro hat es immer wieder mit ähnlichen Werbeplakaten aus der Privatwirtschaft zu tun, welche die Würde der Frau verletzen. Für Fälle an der Universität ist eigentlich das Uni-interne Gleichstellungsbüro zuständig. Leider konnte Spectrum dessen Verantwortliche bis Redaktionsschluss nicht erreichen, da sie in den Ferien weilte.
Von Seiten der Studentenverbindungen erklärten sich der Zofinger Henri Bernhard und Kathrin Steiger von der Studentenverbindung Leonina zum Gespräch bereit. Während die Zofingia eine reine Männerverbindung ist, werden bei Leonina auch Frauen aufgenommen. Auch Kathrin Steiger ist das Plakat negativ aufgefallen: „Angegriffen fühle ich mich eigentlich nicht, aber das hat auch damit etwas zu tun, dass ich die Leute kenne, die dahinter stehen. Es ruft schon einen leicht sexistischen Eindruck hervor. Meiner Meinung nach kann es sein, dass es die falschen Leute anspricht, muss es aber nicht.“ Sie versichert jedoch, dass die Zofingia keine frauenfeindliche Verbindung sei. Zwar gebe es manchmal sexistische Sprüche von Männern und von Frauen innerhalb der Studentenverbindungen, aber trotz des rauen Tons schätze sie die allgemeine Ehrlichkeit. Sie sagt, dass ausserhalb der Verbindungen manch einer nach außen hin politisch korrekt sei, aber eigentlich doch frauenfeindlich sei, während es in den Studentenverbindungen umgekehrt sei.
Über die Aufnahme von Frauen wird diskutiert
Henri Bernhard erklärt: „Die eigentliche Botschaft war: Am Donnerstagabend haben wir einen Stamm unter Männern. In Verbindung mit dem Bild kann ein Eindruck entstehen, der nicht dem entspricht, den wir vermitteln wollten. Wir würden es nicht wieder tun und wir entschuldigen uns bei allen, die sich in ihren Gefühlen verletzt fühlten. Das war nicht unser Ziel.“ Er führt aus, dass es bei der basisdemokratischen Abstimmung auch Mitglieder gegeben habe, welche genau diesen Eindruck befürchtet hatten, die Abstimmung letztlich aber für das Plakat ausgefallen sei. Diese basisdemokratische Haltung sei auch der Grund dafür, dass es innerhalb der Zofingia noch immer keine weiblichen Mitglieder gebe. Zwar gebe es Diskussionen, aber bisher habe sich die Mehrheit immer gegen die Aufnahme von Frauen entschieden.
Zu dieser Frage bezog auch der Zofinger Sebastian Vogel Stellung. Er war von August 2009 bis August 2010 Central- präsident der gesamtschweizerischen Zofingia. In einem seiner Grussworte an alle schweizerischen Zofingia-Sektionen schrieb er damals: „Hätte es so nicht auch die Zofingia sein müssen, welche sich als Erste für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzt? Wäre es nicht Aufgabe der Zofingia gewesen sich für das Frauenstimmrecht einzusetzen?“ Später zieht er daraus Konsequenzen für das Heute: „Die einzige wahre Lösung ist die Bildung von unabhängigen, gleichberechtigen und nur aus Frauen bestehenden Zofingia-Sektionen unter dem Dach unserer Centralstatuten.“
Die Worte sind verhallt und bis heute hat sich diesbezüglich nichts getan innerhalb der Studentenverbindung. Spectrum wollte wissen, warum. Sebastian Vogel erklärt: „Die Begründung liegt oft darin, dass man Angst bekundet, Frauen könnten das Innenleben des Männerbundes beeinträchtigen und dass es nicht mehr derselbe Umgang unter den Mitgliedern wäre.“ Es gebe innerhalb der Zofingia eine sehr heterogene Mischung an Mitgliedern, die durch liberale Offenheit und das demokratische Selbstverständnis verbunden seien. „Wenn er also eine Abstimmung, zum Beispiel über Aufnahme von Frauen, verliert, dann trägt der Zofinger dieses Ergebnis in der Regel mit, egal ob es ihm passt oder nicht.“
Die Frauenfrage ist deshalb von Bedeutung, weil die Verbindungen, welche innerhalb einer Studentenverbindung entstehen, nicht selten karrierefördernd sind. Nun sind wir noch weit davon entfernt, dass Frau und Mann gleichberechtigt am Arbeitsplatz sind. Auf der Homepage der Gleichstellungsbeauftragten der Universität Freiburg steht, dass in der Schweiz der Anteil der Professorinnen bei 15% liegt (Stand 2009). Deshalb ist es wichtig, dass Verbindungen jeglicher Art im Studentenleben sich vielfältig ergeben, weil sich die Beziehungen, welche sich an der Universität ergeben, später niederschlagen können in anderen Bereichen in der Gesellschaft.
Karrierechancen innerhalb von Studentenverbindungen überschätzt
Werden durch reine Männerverbindungen nicht Seilschaften unter Männern aufgebaut für die eigene Karriere, welche die Gleichberechtigung von Mann und Frau blockieren? Henri Bernhard entgegnet darauf: „Dieser Verdacht liegt tatsächlich nahe, dass ein innerer Kern entsteht, der völlig in sich abgeschlossen ist. Ich kann das völlig nachvollziehen, aber da werden die Studentenverbindungen überschätzt. Unser Verein hat nur 5000 Mitglieder. Da gibt es andere Verbände, welche dann hoffentlich Einfluss nehmen können auf die rechtlichen Grundlagen, welche für die Gleichberechtigung für Mann und Frau sorgen.“ Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Universität Lausanne der dort ansässigen Zofingia-Sektion die Akkreditierung entzogen hatte, weil sie Frauen nicht als Mitglieder aufnimmt. Das Kantonsgericht hatte das Verbot der Zofingia aufgehoben und später hatte das Bundesgericht das Urteil bestätigt. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass es andere Verbindungen gebe, bei welchen Studentinnen Aufnahme finden würden. Henri Bernhard führte weiter aus, dass sich die Zofingia zwar noch ziere Frauen aufzunehmen, aber Frauen bei ihnen gerne gesehen seien und auch am Stamm teilnehmen dürften.
In anderer Hinsicht präsentiere sich die Zofingia sehr offen: „Mein Biervater ist Muslim, ein Türke. Es gibt viele Juden bei uns und das wird niemals thematisiert. Es ist kein Kriterium. Es ist nicht einmal Gesprächsthema. Wir haben auch viele Homosexuelle bei uns.“ Auf Letzteres verweist auch Sebastian Vogel in seiner schriftlichen Antwort: „Die Zofingia hatte nie, hat nie und wird nie ein Problem mit der Homosexualität haben. Es gibt zahlreiche Mitglieder, welche sich zur Homosexualität bekennen und diese auch im Rahmen der Zofingia (Bälle mit Partner, etc…) ausleben.“ An dieser Stelle sei die Stellungnahme einer anderen in Freiburg ansässigen Studentenverbindung erwähnt, welche nicht namentlich genannt werden wollte. Auf die Frage, ob sie auch homosexuelle Studierende aufnehmen würde, antwortet sie kryptisch: „Ja, aber wollen homosexuelle Studierende auch unserer Studentenverbindung beitreten?“
Alte Strukturen aufbrechen
Dem aufmerksamen Beobachter wird nicht entgangen sein, dass auf dem Campus etliche Flyer und Plakate umherschwirren mit leicht bekleideten Frauen. Diese dienen als Lockmittel für eine Party, eine Bar oder für Vereine. Das wäre kein Problem, wenn auch Männer in gleicher Pose zu sehen wären – sind sie aber nicht. Die Wurzeln, welche uns und unsere Gesellschaft prägen, reichen tief – tiefer oft als unsere Intentionen und unser Bewusstsein. Unter ihnen finden sich Formen der Unterdrückung, welche wegen Religion, Nationalität, sexueller Orientierung oder Geschlecht geschehen. Um ihnen entgegenzuwirken und sie aufzulösen, müssen wir bereit sein kontinuierlich „die Türen unserer Wahrnehmung zu reinigen”, wie einst William Blake sagte, und damit gesellschaftlichen Strukturen aufzubrechen und sie zu verändern. Da die Zofingia Freiburg seit diesem August für ein Jahr den Centralausschuss der gesamtschweizerischen Zofingia übernommen hat, ist es ihre Chance, sich der reformatorischen Strömungen innerhalb ihrer Verbindung zu erinnern und sich für die Aufnahme der Frauen erneut offensiv einzusetzen. Es bleibt abzuwarten, wie sie mit dieser Verantwortung umgehen wird.
Von Marc Micha Hämmerling und Nadja Sutter