Eine ungewöhnliche Location zur Eröffnung: am ersten Tag der zehnten Ausgabe des internationalen Kurzfilmfestivals Shnit fanden sich zahlreiche Filmfans in der Heiliggeistkirche in Bern ein. Etwas zögerlich nahmen sie in den Reihen des zum Kinosaal umfunktionierten andächtigen Kirchenschiffes Platz.
An der Stelle des Altars wurde eine Kinoleinwand aufgespannt, auf welche sich einige Augenpaare bereits gebannt richteten. Andere schauten sich in der Kirche um und liessen die etwas andere Kinoatmosphäre auf sich wirken. Anders als bei einer Messe wurde hier nicht Wein vom Pfarrer ausgeschenkt, sondern Bier vom Barkeeper. Ja, eine Bar gleich beim Eingang der Kirche. Hatte man so etwas schon einmal gesehen? Zur Festivalatmosphäre trugen auch die angeregten Gespräche der Besucher bei, die durch die Akustik der Kirche zu einem lauter werdenden Summen anschwollen. Leiser wurde es erst, als die künstlerische Leitung des Shnit sich ans Publikum wendete. Sie dankte dem Projekt „offene Kirche“, welches die Heiliggeistkirche als Eröffnungsstätte des Festivals möglich gemacht hatte. Zudem wurden die neuen Playgrounds – so werden die Spielstätten des Festivals genannt – in Bern und weltweit vorgestellt. Zum Jubiläum konnten dieses Jahr neben der Heiliggeistkirche auch erstmals im Käfigturm und der Französische Kirche Filme gezeigt werden. Das Shnit ist über die Jahre auch international gewachsen. Zu Spielstätten wie Singapur, Kapstadt und Wien sind Buenos Aires, Kairo, Lagos und San Francisco dazu gekommen. „Kultur kennt keine Grenzen“, meinte Oliver Van der Hoeven, von der Festivalleitung zu den internationalen Playgrounds. „Dass man jedoch nicht in allen Ländern auf die gleichen Voraussetzungen für das Bespielen der Filmstätten trifft, zeigt sich beispielsweise in Lagos, wo Elektrizität aus Diesel gewonnen werden muss“, so Van der Hoeven weiter.
Eine norwegische Tuba
Die Eröffnungsfeier bot einen Querschnitt durch die diesjährigen Filme des Festivals. Bereits der erste Kurzfilm aus Norwegen „Tuba Atlantic“ behandelte den unterschiedlichen Umgang der Menschen weltweit mit bedeutenden Themen; in diesem Fall mit dem Tod. Einem Mann, der nur noch sechs Tage zu Leben hat, wird ein junges Mädchen als Todesengel geschickt. Das Mädchen hilft ihm, seinen letzten Wunsch, mit seinem Bruder Kontakt aufzunehmen, zu erfüllen. Bis zum Happyend durchlebt das Publikum 25-minütiges Wechselbad der Gefühle. Von Trauer, über Erstaunen, bis zu Situationskomik und schliesslich Zufriedenheit über den Ausgang der Geschichte. Auch offene Fragen blieben zurück, die nach dem Ende noch lange über den Film nachsinnen liessen.
Katharsis in wenigen Minuten
Wie der norwegische Film „Tuba Atlantic“ zeigten auch die anderen Filme des Shnit auf eindrückliche Art, dass es nicht 90 Minuten braucht, um das Wesentliche in einen Film zu packen. Genauso wie in den Hollywoodstreifen, wird man in den Bann der Geschichte gezogen und fragt sich, was als nächstes passieren und wie der Film wohl ausgehen wird. Das Spannendste daran ist mitunter, dass man vorher nie genau weiss, wann der Film wirklich fertig ist. Am Shnit sind Kurzfilme, die bis zu 40 Minuten dauern, zugelassen. Die Bandbreite der Filmlänge ist dabei so gross, wie die der Themen, die in den Filmen behandelt werden. Erstaunte, berührte und begeisterte Zuschauer sind garantiert. Oder wie es in einem Zitat der Berlinale heisst: «Der Kurzfilm ist radikal und ungebunden. Manchmal kontrovers, verstörend, an der Grenze der Verständlichkeit, aber immer bereit das Herz zu berühren».
Slam Movie Night
Von anderen Filmfestivals unterscheidet das Shnit auch seine legendäre Slam Movie Night. Legendär, weil sie meist restlos ausverkauft ist und die Stimmung im Saal Ihresgleichen sucht. Hier werden Kurzfilme gezeigt, deren Regisseure mehr als an allen anderen Vorführungen um die Gunst des Publikums buhlen. Vor dem Abspielen des Films haben sie Zeit, das Publikum mit ein paar Worten zu ihrem Film auf ihre Seite zu ziehen. Läuft der Film erst einmal, liegt es in der Hand des Publikums, ob der Film bis zum Ende gezeigt oder vorzeitig abgebrochen wird. Die Zuschauer haben die Möglichkeit den Film mit lauten Buhrufen aus dem Wettbewerb zu bugsieren oder mit tosendem Applaus dafür zu sorgen, dass er weiter läuft. Das nicht immer einfache Amt des Schiedsrichters hatte bei dieser Ausgabe der Schweizer Reggae-Künstler Dodo inne. Bei gleichlauten Jubel- wie Buhrufen, wandte sich Dodo stets an den auf der Galerie thronenden Cäsar, dem die endgültige Entscheidungsgewalt verliehen wurde. Wie im alten Rom entschied dieser dann mit Daumen nach oben oder unten über das Schicksal der Regisseure. Wodurch die Stimmung im Saal, welcher bis auf den letzten Platz besetzt war, weiter angeheizt wurde. Manche brachten ihren Unmut über die Entscheide mit weiteren Buhrufen zum Ausdruck. Der Film „Les soeurs du coeurs“von Kathrin Hürlimann & Thyrza Ingold hielt dem harten Wettbewerb stand und wurde mit der Trophäe der Slam Movie Night, dem „Slamie“, ausgezeichnet. Als Preis winkte ihnen zudem eine Flasche Rum.
Entstehungsgeschichte des Shnit
– 27./28. Juni 2003 werden im Rahmen der Kurzfilmnächte erstmals Filme, u.a. noch auf VHS-Kassetten, in der Berner Reitschule gezeigt – 2004 wird der Wettbewerb international: Kurzfilmen aus Indien wird ein eigener Abend gewidmet. Der Publikumspreis ist mit Fr. 1‘000.- dotiert. – 2005 der Kulturevent erhält den Förderpreis der Burgergemeinde Bern, das Festival entsteht. Mit der Café-Bar Turnhalle in Bern wird ein Partner fürs Festival gefunden. Die erste offizielle Jury vergibt einen Preis im internationalen Wettbewerb „Shnit open“ – 2006 die Besucherzahlen des Shnit wachsen rasant weiter. Die Gewinner werden erstmals mit einem Pokal geehrt – 2007 das Shnit wird auf drei Tage verlängert. Die Slam Movie Night findet zum ersten Mal statt. – 2008 Shnit ist das zuschauerstärkste Kurzfilmfestival der Schweiz. – 2009 Shnit findet zeitgleich in Bern und Köln statt – 2010 In 164 Shows werden 300 Kurzfilme gezeigt, 24‘000 Besucher sind dabei – 2011 das Festival wächst weiter, neue Playground kommen hinzu
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Von Tamara Traxler
Entstehungsgeschichte des Shnit
– 27./28. Juni 2003 werden im Rahmen der Kurzfilmnächte erstmals Filme, u.a. noch auf VHS-Kassetten, in der Berner Reitschule gezeigt – 2004 wird der Wettbewerb international: Kurzfilmen aus Indien wird ein eigener Abend gewidmet. Der Publikumspreis ist mit Fr. 1‘000.- dotiert. – 2005 der Kulturevent erhält den Förderpreis der Burgergemeinde Bern, das Festival entsteht. Mit der Café-Bar Turnhalle in Bern wird ein Partner fürs Festival gefunden. Die erste offizielle Jury vergibt einen Preis im internationalen Wettbewerb „Shnit open“ – 2006 die Besucherzahlen des Shnit wachsen rasant weiter. Die Gewinner werden erstmals mit einem Pokal geehrt – 2007 das Shnit wird auf drei Tage verlängert. Die Slam Movie Night findet zum ersten Mal statt. – 2008 Shnit ist das zuschauerstärkste Kurzfilmfestival der Schweiz. – 2009 Shnit findet zeitgleich in Bern und Köln statt – 2010 In 164 Shows werden 300 Kurzfilme gezeigt, 24‘000 Besucher sind dabei – 2011 das Festival wächst weiter, neue Playground kommen hinzu
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