Die Gänge der Uni Pérolles werden täglich von einem Mythos heimgesucht. Ein Cowboy scheint in ihnen seine Steppen gefunden zu haben. Schwarzer Hut mit rotem Band, Lederstiefel und Gürtel sind die Markenzeichen unseres Abwarts. Die Colts mussten Putzspray und Schraubenzieher weichen. Antonio Da Costa hat mich getroffen – nicht zwischen die Augen, sondern zum Gespräch.

Von Emanuel Hänsenberger

12:07 Uhr mittags. Nein, pünktlich erscheint er nicht bei unserem Treffpunkt. Ein Kollege von ihm verrät mir halb ironisch, er sei sich vielleicht Mut antrinken gegangen. Lässt sich ein Cowboy durch ein harmloses Gepräch mit einem Studenten verunsichern? Da ist er! Mit einem Kaffeebecher in der Hand biegt er souverän um die Ecke und begrüsst mich höflich in gebrochenem Französisch. Ich frage ihn, ob ich vor unserem Gespräch auch noch Kaffee holen dürfe. Wir treten also zu zweit in den Pérolles-Saloon ein. Ich solle meine Kröten gleich wieder einstecken, diese Runde gehe an ihn. Gleichzeitig albert der Schlingel noch mit den Bardamen rum. Ich würde ihn ja nur ungern unterbrechen, ob er nicht ein etwas ruhigeres Plätzchen für unser Gespräch kennen würde, frage ich ihn. Zielsicher führt er mich in den hinteren Bereich der Pérolles-Prärie. Da setzen wir uns hin und schweigen für eine kurze Zeit.

Der mit dem Besen tanzt

 

Der Pérolles-Cowboy
Der schwarze Cowboyhut mit dem portugiesischem Band gehört zum Markenzeichen von Abwart Costa. © EH

Wie heissen Sie? – Costa. Tony Costa. Ich schiele auf sein Namensschild. Darauf steht Antonio Da Costa. Das fängt ja gut an. Was denn dieser charismatische Cowboy-Look auf sich habe? Diesem fröhne er seit seiner Pubertät. Zu Hause habe er noch ein Dutzend weitere Stiefel-Paare. Sein begabtester Bruder in Portugal schustere sie. Dieser habe bei einem schweren Motorrad-Unfall einen Arm verloren. Trotzdem gelinge es ihm immer noch, solche Prachtstücke herzustellen. Der Stolz der Familie. Ist es nicht schade, sie beim Arbeiten zu tragen? Nun ja, er habe sie jetzt vor allem wegen unserem Treffen angezogen. Sieh an, sieh an, da weiss jemand seinen Mythos zu pflegen! Gefällt mir.

Auch wenn es dem Image eines Cowboys entsprechen könnte, scheint der gesprächige Costa kein Aussenseiter zu sein. Und das, obwohl er als bekennender Sporting- Lissabon-Fan in einem Vorort von Porto aufgewachsen ist. Das war natürlich nicht der Grund, weshalb er seinerzeit davongaloppierte.

Für eine Handvoll Franken in die Schweiz

Mit 24 lernte Costa seine heutige Frau kennen. Gemeinsam zogen sie in den Kanton Freiburg und schlagen sich seither als Tischler und Putzangestellte durch.

Seit vier Jahren arbeitet er nun als Abwart an der Uni Freiburg. Seine beiden Schweizer Arbeitskollegen seien klasse. Ein gutes Team, auch beim Pétanque-Spielen. Auch die Studierenden seien super. Er werde begrüsst, respektiert, auch wenn er aus einem anderen Milieu käme. Seine härteste Schicht hatte er letztes Jahr, als das gesamte Untergeschoss unter Wasser gestanden habe. Bei Bauarbeiten seien dummerweisse Leitungen verstopft worden. Mithilfe der Feuerwehr konnte dieses Malheur bereinigt werden.

A Country for Old Men

Ein jährlicher Besuch in seiner alten Heimat reicht Costa aus. Der 52-Jährige möchte seine letzten Arbeitsjahre an der Uni verbringen. Doch die Welt ändere sich viel zu schnell, da müsse er mit allem rechnen.

Zum Schluss frage ich ihn, wo denn sein Pferd sei? Er muss lachen. Nein, reiten könne er nicht. Doch er mag Rennpferde. Nach Feierabend geht er häufig in eine PMU-Bar, um auf sie zu wetten. Aber ein eigenes Pferd wäre doch auch nicht schlecht? Nein, unter seiner Motorhaube habe er ja schon ein paar Stärken davon. Blitzschnell zieht er sein Mobiltelefon aus seinem Holster und zeigt mir den Bildschirmhintergrund. Darauf erkenne ich einen kleinen roten Toyota mit einem riesigen portugiesischen Wappen auf der Haube. Seit irgendeiner WM ist das so. Später ist noch das portugiesische Band am Hut dazugekommen, dann der grosse Aufkleber von Cristiano Ronaldo auf seinem Putzwagen. Fussball trifft auf Wilden Westen? – Wieso auch nicht, Ronaldo schiesst auch schneller als sein Schatten.