Ich will nicht ständig erreichbar sein, nicht sofort das Neuste erfahren und nicht Gespräche schreiben, anstatt sie zu führen. Für sieben Tage sage ich deshalb allen elektronischen Medien Auf Widersehen. In einem Selbstversuch teste ich, ob dieses Abkapseln im Alltag überhaupt noch funktioniert.

Text: Simone Frey / Illustration: Clarisse Äschlimann

Die selbst auferlegten Regeln sind simpel, das finde ich zumindest zu Beginn des Experiments: kein Handy, kein Computer, ergo kein Internet. Zudem sind Radio, Fernsehen und Filme tabu. Nur das Festnetztelefon, also das altmodische Ding mit Tasten und Ohrmuschel, darf ich benutzen. So ganz abschotten will ich mich auch wieder nicht.

Tage 1 und 2

In den ersten zwei Tagen bemerke ich den Entzug kaum. Ich schreibe an meiner Bachelorarbeit und benötige dafür gedruckte Bücher. Ok, ihr habt meinen ersten und einzigen Betrug bemerkt. Wie soll ich ohne Computer an meiner Arbeit schreiben? Den letzten Füllfederhalter hatte ich in der Primarschule in der Hand. Also gewähre ich mir zwei Ausnahmen: Der Laptop zum Schreiben und das Internet für die Recherche ist gestattet. Ansonsten ist das WLAN deaktiviert. Erstaunlicherweise füllt sich so Seite um Seite viel schneller als üblich.

Tag 3

Seit ich mich mit dem Smartphone nicht mehr ablenke, schlafe ich besonders gut. Mein Tipp deshalb an alle, die schlecht einschlafen können: Schmeisst das Handy an die Wand! Oder schaltet es zumindest vor dem Zubettgehen aus.

Tage 4 bis 6

Die ersten drei Tage waren sehr entspannt und das, obwohl ich viel für die Bachelorarbeit getan habe. Doch irgendwie beschleicht mich langsam ein Gefühl der Einsamkeit. Ich rufe eine Freundin an – das ist via Festnetz ja erlaubt. Sie meldet sich etwas erschrocken, die Nummer am Handy kannte sie nicht. Ich mache ihr klar, dass nichts Schlimmes passiert ist: „Wollte nur fragen, wie es dir so geht.“ Es erinnert mich an die frühe Schulzeit, als ich alle Festnetznummern meiner Freundinnen auswendig konnte und sie jeden Mittwochnachmittag der Reihe nach gewählt habe.

Ich bekomme nicht mehr nur (teils ziemlich Un-)Wichtiges aus dem Leben von Freuden nicht mit, sondern auch nicht mehr, was in der Welt geschieht. Vor dem Experiment wusste ich garantiert von jedem Reissack, der in China umgefallen ist, von jeder Messerstecherei im hintersten Kurdistan, von jeder Promihochzeit – und natürlich von all dem, was effektiv die Welt bewegt. Ich beginne also, jeden Morgen die Zeitung zu lesen. Das tat ich schon vorher, doch selten, um Neuigkeiten zu erfahren, sondern eher wegen der Hintergrundinformationen. Übrigens behalte ich das genaue Zeitungslesen auch nach dem Experiment bei. Es ist erträglicher, über Kriege und Katastrophen zu lesen, als sie via Bildschirm hautnah vorgeführt zu bekommen.

Tag 6

Durch das Experiment habe ich viel Zeit gewonnen und bin doch nie gelangweilt. Ab und an löse ich Sudokus. Fast wie Kolumbus, als er Amerika entdeckte, fühlte ich mich, als ich in der Zeitung plötzlich auf eine Rätselseite stiess. Da bieten Print-Medien doch täglich Ferienreisen als Gewinn an. Gut, die Rätsel habe ich gelöst, beim Gewinnspiel trotzdem nie mitgemacht.

Tag 7

Nach sieben Tagen fühle ich mich definitiv zurückversetzt in die Primarschulzeit. Wie damals, als ich noch nicht Fernsehschauen durfte und es Smartphones noch nicht mal in der Fantasie gab. Ich habe diese Woche drei Bücher gelesen und fühle mich ausgeschlafener als je zuvor. Dennoch fehlt etwas, ja, um ehrlich zu sein mehr als nur etwas. Ich bin gerne vielseitig informiert und will wissen, was in der Welt passiert. Zudem habe ich nur Freunde und Bekannte getroffen, mit denen ich schon vor dem Experiment abgemacht hatte. Auf Dauer wäre der soziale Kontakt wohl eingeschlafen. Denn von vielen hörte ich im Nachhinein: „Ich wollte dich mal anrufen, aber spreche überhaupt nicht gerne am Telefon, das ist so mühsam und kostet Zeit. Whatsapp ist einfach viel schneller.“ Ja, und viel unpersönlicher.

Abschliessend würde ich allen empfehlen mal eine Auszeit von elektronischen Medien zu nehmen, oder einfach bewusster damit umzugehen. Denn ob ein Reissack mehr oder weniger in China umfällt, spielt für uns wirklich keine Rolle. Und ein Gespräch zu führen, ist viel persönlicher und unterhaltsamer als zu schreiben. Und ausserdem erst noch einfacher, weil man sich dabei nicht dauernd vertippt.