Als ich nach einem langen Tag an der Universität Pérolles dem Boulevard entlang nach Hause schlenderte, geschah es wieder. Wie so oft, war die Verlockung zu gross. Anstatt dem Fussgängerstreifen über die nächste Querstrasse zu folgen, drehte ich nach rechts und betrat meine Lieblingsboutique in Freiburg, den Secondhand-Laden Zig-Zag. Eine halbe Stunde später verliess ich das Geschäft. In der Hand trug ich eine grosse Tasche mit dem schicken Wintermantel, nach dem ich schon lange gesucht hatte, und den perfekt sitzenden Traumschuhen für den kommenden Sommer. Für den Mantel und die Schuhe habe ich nur gerade einen halben Stundenlohn meines Studentenjobs ausgegeben.
Zig-Zag – ein Engagement des Roten Kreuzes
Insgesamt gibt es im Kanton Freiburg vier Zig-Zag-Geschäfte. Sie sind ein Projekt des Freiburgischen Roten Kreuzes, das sich als gemeinnützige Institution seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts in verschiedenen Bereichen sozial engagiert. Die Zig-Zag-Filiale am Boulevard de Pérolles existiert schon über 20 Jahre. Die Geschäftsführerin ist stolz auf ihre Boutique. Sie erwähnt überzeugt, dass es in Freiburg keinen besseren Ort zum Einkaufen gibt. Eine Angestellte fügt schmunzelnd hinzu, dass nie jemand die Boutique ohne ein neues Kleidungsstück verlasse.
Secondhand in einer Boutique wie jede andere
Auf den ersten Blick merkt man kaum, dass es sich nicht um ein übliches Kleidergeschäft handelt. Der grosse Verkaufstresen, die zahlreichen Angestellten und die gewöhnlichen Umkleidekabinen widersprechen dem Klischee des schmuddeligen Secondhand-Ladens. Der Kunde wühlt nicht in Kisten, sondern sieht im nach Kleidergrössen und -arten geordneten grossflächigen Ladenareal um. Dabei wird ihm alles angeboten, was irgendwie angezogen werden kann. Von Taschen und Rucksäcken über alle Arten von Schuhen bis hin zu festlicher Abendgarderobe und Verkleidungen während der Fasnachtszeit. Die meisten Artikel stammen aus Altkleider-Containern im Kanton Freiburg. Fündig wird jedoch auch, wer lieber ungebrauchte Kleider als Secondhand-Stücke trägt. Saisonale Modeartikel, die in anderen Kleidergeschäften nicht verkauft wurden, gelangen ebenfalls ins Zig-Zag-Sortiment. Diese Neuware wird von unterschiedlichen Unternehmen zu günstigen Preisen bezogen.
Praktika zur beruflichen Wiedereingliederung von Arbeitslosen
Die Arbeitsatmosphäre scheint friedlich. Die zahlreichen Verkäufer hinter dem Tresen und zwischen den Kleiderständern scheinen ein eingespieltes Team zu sein, obwohl sie sich gegenseitig kaum kennen. Fest angestellt sind nur fünf Personen. Der grösste Teil des Personals besteht aus Praktikanten, die alle drei Monate ausgewechselt werden. Die Praktikumsstellen sind insbesondere an Arbeitslose gerichtet. In Zusammenarbeit mit dem kantonalen Amt für Arbeitsmarkt verfolgt das Freiburgische Rote Kreuz das Ziel, arbeitssuchende Personen in die Berufswelt einzugliedern.
Die Kundschaft ist breit
Das Zielpublikum ist kaum definierbar. Natürlich soll die Boutique insbesondere ermöglichen, dass Personen, die nur ein geringes Budget für Kleidung zur Verfügung haben, nicht auf Qualität verzichten müssen. Doch das vielfältige Angebot, das weder Mode für ältere Personen, noch Babykleidung auslässt, zieht auch ein breites Spektrum an vermögenden Kunden an. Zu den Käufern in allen Altersstufen gehören unter anderem Studenten. Wie ich erst im Gespräch mit der Geschäftsführerin erfahre, profitieren diese sogar von 10% Studentenrabatt. Allerdings müsse dies unbedingt beim Bezahlen bemerkt werden. Das ständig wechselnde Personal sei nämlich selten darüber informiert.
Schlussendlich profitieren alle
Secondhand funktioniert. Es ist der ideale Weg, Qualität mit tiefen Preisen zu vereinbaren. Nebst dem Preis-Leistungs-Verhältnis ist auch die Nachhaltigkeit optimal. Einwandfreie gebrauchte oder unverkaufte Kleidungsstücke werden neu verwendet statt entsorgt. Speziell bei Zig-Zag ist zudem, dass das Personal hauptsächlich aus Leuten auf Arbeitssuche besteht. Hinzu kommt die grosse Auswahl, bei der jeder Kunde etwas findet. Für die meisten Studenten, die im Gebäude Pérolles Vorlesungen haben, führt der tägliche Weg zur Uni an der Zig-Zag-Boutique vorbei. Ein Abstecher würde sich durchaus einmal lohnen. Denn im Zig-Zag können wir nicht nur gewissenlos zugreifen beim Shopping ohne an unser limitiertes Studentenbudget zu denken, sondern tun dabei auch noch etwas Soziales. Und nicht vergessen: Studentenausweis zeigen!
Text von Lisa Bischofberger
Fotos von Tobias Reidy und Aliki Eugenidis