Von Fischerbooten, die auf einem riesigen Swimmingpool schaukeln, und Balkonen, die Schwalbennestern gleichen: eine fotografische Reise durch die maltesische Insel Gozo. Erlebt von Catherine Waibel, erzählt von Simone Frey.
In Maltas Hauptstadt Valletta gelandet, werde ich vom nordafrikanischen Klima empfangen. Ich bleibe aber nicht auf der Hauptinsel, meine Reise führt mich nach Gozo, auf die zweitgrösste maltesische Insel. Im Bus krame ich den neu gekauften Reiseführer hervor: „Gozo bedeutet ‚Freude’ auf Kastilisch.“ Hallo Gozo, die Freude ist ganz meinerseits! Nach einer kurzen Fahrt mit der Fähre erreiche ich mein Domizil, ein Studentenheim einer belgischen Universität. Grund meiner Reise ist ein dreiwöchiges Malta Summer School Programm, bei welchem ich anthropologische Feldforschung betreiben werde. Doch zuerst muss ich die Insel näher kennenlernen. Zeit sich nun auszuruhen und den morgigen Tag voller Energie zu starten. Gute Nacht, Insel der Freude.
Traditionelles Fischerboot namens „Luzzu“
Das Frühstück habe ich bereits verdaut und bin auf dem Weg ins Fischerdorf Marsalforn. Vom Studentenheim ist es gut zu Fuss erreichbar. Schon von weitem sehe ich die berühmten farbenfrohen Fischerboote, genannt Luzzus. Die Fischer kommen soeben mit dem Fang zurück. Ich beobachte, wie sie die Boote vertäuen und den Fang ans Ufer tragen. Dass ich ein Tourist bin, sieht man mir und meiner Kamera, die ich schnell gezückt habe, natürlich an. Anscheinend sehe ich sehr neugierig aus, denn ein Fischer winkt mich zu sich. In einem Englisch, dem man den maltesischen Akzent deutlich anhört, fragt er mich, ob er die Fotos sehen kann. Mit meinen Bildern scheint er zufrieden zu sein und so kommen wir ins Gespräch. Der bärtige Fischer stellt sich als Kayden vor. Heute sei der Fang besonders gut gewesen, er hoffe, auf dem Markt einen guten Preis aushandeln zu können. Ich wundere mich, dass man mit diesen kleinen, farbigen Booten so viele Fische fangen kann. Dies liege an der stabilen Bauweise, erklärt mir Kayden. Zudem erzählt er mir, wieso die Schiffe mit einem Auge bemalt sind: „Diese altägyptischen Horusaugen bewahren uns vor den Gefahren der See und ermöglichen uns einen guten Fang.“ Als ich ihm sage, dass ich auf dem Weg nach Xlendi bin, offeriert mir Kayden, mit ihm ein stückweit bis Rabbat mitzufahren.
Balkone wie Schwalbennester
In Rabbat, der einzigen Stadt in Gozo, beliefert Kayden ein Restaurant mit frischem Fisch und verabschiedet sich von mir. Ich nutze meinen Zwischenhalt für einen Spaziergang durch das Städtchen. Die zahlreichen traditionellen Häuser fallen mir sofort auf. Besonders die speziellen Balkone faszinieren mich. Sie kleben wie Schwalbennester an der Fassade der alten Häuser. Mein kluger Reiseführer erzählt mir mehr darüber: „Die traditionellen maltesischen Balkone stammen ursprünglich aus dem arabischen Raum. Damals verteidigten die Bewohner ihr Hab und Gut von den Balkonen aus oder sie dienten den Frauen als Beobachtungsplatz. Auch heute werden sie immer noch gerne als Aussichtspunkt genutzt.“
Mein Magen knurrt, ich lasse die Stadt Rabbat hinter mir und fahre mit dem Bus weiter nach Xlendi. In einem Lokal nahe am Meer bestelle ich eine Dorade, den wohl besten Fisch, den ich je gegessen habe. Xlendi ist ein bei Touristen beliebter Ort. Die Bucht ist übersät mit Hotels, Liegen und Sonnenschirmen. Auch das Ehepaar neben mir, welches die Aussicht auf Xlendis Bucht geniesst, unterhält sich nicht auf Maltesisch, sondern auf Französisch.
Nach meinem Mittagessen an Xlendis Uferpromenade mache ich mich wieder auf den Weg ins Studentenheim nach Marsalforn. Die Busfahrt quer über die Insel dauert nur dreissig Minuten. Schnell hole ich meine Badesachen aus dem Zimmer und gehe zum Strand. Nach einem solch heissen Tag habe ich eine Abkühlung redlich verdient.
„Der maltesische Swimmingpool“, den Sandstrand findet man auf der Insel kaum.
Ich beobachte eine Frau, die über eine Treppe aus dem Meer steigt. Das erinnert mich an die Swimmingpooltreppe von zu Hause. Der Gedanke, das Meer als einen riesigen Swimmingpool mit glasklarem Wasser zu betrachten, gefällt mir.
Klippenspringer nutzen die schroffen Felsen und demonstrieren Mut und Akrobatik.
Nach einem ausgedehnten Bad im maltesischen Swimmingpool setze ich mich auf einen Felsvorsprung und geniesse die Szenerie. Klippenspringer haben sich einen Felsen nahe der Küste ausgesucht, der einem Schiff gleicht. In Gozo geht das Land nicht in einem Sandstrand ins Meer über. Die Insel steht wie ein Schiff in der Brandung des Meers. Von diesen schroffen Klippen würde es mich auch reizen ins Wasser zu springen.
Langsam legt sich die Dunkelheit über die Insel. Ich kehre zurück ins Studentenheim und freue mich bereits wieder auf spannende Begegnungen mit den Bewohnern Gozos am nächsten Tag. Gozo, die Insel der Freude, wird mir sicherlich noch viel von ihrer malerisch Schönheit schenken.