Hast du dir je überlegt, wie stark die mediale Berichterstattung heute noch zwischen Frauen und Männern unterscheidet? Oder wie unser Sprachgebrauch festgefahrene Geschlechterrollen zementiert? Fragen wie diesen gehen die Gender Studies nach.
Text: Gioja Weibel; Illustration: Clarisse Aeschlimann
„Gender“ bezeichnet nicht das biologische, sondern das sozial konstruierte Geschlecht. Gender Studies haben also nichts mit Biologieunterricht zu tun, sondern beschäftigen sich primär damit, was unter „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ in der Gesellschaft verstanden wird. Diese beiden Begriffe variieren in ihrer Bedeutung nicht nur je nach kultureller Prägung, sondern auch nach Alter und sozialer Klasse. Wie die Bedeutung dieser Begriffe zustande kommt, wie sie sich verändern oder reproduziert werden und wie eine Gesellschaft mit ihren Vertreterinnen und Vertretern umgeht, gehört alles in den Bereich der Gender Studies. Studierende dieses Bereichs können laut Dr. Ulrike Knobloch, Oberassistentin mit Schwerpunkt Gender am Studienbereich Soziologie, Sozialpolitik und Sozialarbeit, ausserdem viel darüber erfahren, „wie stark die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen auch noch moderne Gesellschaften prägt, wie die Geschlechterrollen im alltäglichen Handeln immer wieder neu konstruiert werden und warum es so schwierig ist, als einzelner Mensch etwas daran zu ändern.»
Mediale Stereotypisierung
Zurzeit führt die Uni Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) eine Studie zur Medienberichterstattung im Vorfeld der Wahlen 2015 durch. Sie untersucht, wie Kandidatinnen und Kandidaten in der Medienberichterstattung zu Wort kommen, wie sie abgebildet werden und wie über sie berichtet wird. Die Erfahrung zeigt, dass Medien grundsätzlich dazu tendieren, bestehende männliche Machtstrukturen zu untermauern. Dies geschieht dadurch, dass proportional mehr Männer als Politiker, Wissenschaftler, Künstler oder Sportler in den Medien erwähnt werden, als ihr Anteil in der Gesellschaft tatsächlich beträgt. Frauen sind in der Medienberichterstattung folglich massiv untervertreten. Subtiler ist die qualitative Diskriminierung: Frauen wie Männer werden von Medien stereotypisiert. Männer werden generell eher positiv klischiert, während Frauen mit Charaktereigenschaften verbunden werden, die ihnen als öffentliche Personen Kompetenzen absprechen. Sie werden schnell auf ihr Aussehen, ihre Garderobe oder ihre Hausfrauenrolle reduziert. Das SSM hat einen Leitfaden für Medienschaffende herausgegeben, um diese Formen der Diskriminierung in der medialen Berichterstattung zu unterbinden. Eine der Checkfragen lautet, ob die sogenannte Umkehr-Probe funktioniert, denn ein gendergerechter Medienbericht ist auch mit umgekehrten Geschlechterrollen nicht diskriminierend. Ein prominentes Beispiel einer mächtigen Frau, die in den Medien nicht geschlechtergerecht dargestellt wird, ist Angela Merkel. Bekannt wurde sie als „Kohls Mädchen“, was ihre Position als seine Nachfolgerin bezeichnen sollte. „Mädchen“ ist nicht nur eine Verkindlichung, was einer erwachsenen Politikerin die Mündigkeit abspricht, sondern hat auch eine sexualisierte Nebenbedeutung. Ein denkbarer Begriff für das männliche Pendant wäre zum Beispiel „Kohls Kronprinz“, was auf eine legitime, ja sogar adelige Nachfolge schliessen lässt. Die assoziative Divergenz zwischen diesen beiden Begriffen könnte grösser nicht sein. Oder hast du je einen Artikel mit der Überschrift „Kohls Bübchen“ gelesen?