Gleichberechtigung ist seit jeher ein brennendes Thema, egal ob in der Politik, am Arbeitsplatz oder im alltäglichen Leben. Trotz aller Fortschritte gibt es noch immer Studiengänge, in denen die Schere zwischen Mann und Frau nicht weiter auseinandergehen könnte. Wie studiert es sich in einem vom anderen Geschlecht dominierten Studiengang? Laura Rettig, Informatikstudentin, und Marc Weissmüller, Logopädiestudent, geben darauf Antwort.

Von Mersid Hazbiu

 

Marc, Wie bist du dazu gekommen, Logopädie zu studieren?

Marc: Im Gymnasium hatte ich das Schwerpunktfach Wirtschaft & Recht. Wie so viele wusste ich dann aber nicht genau, wie es weitergehen soll. Bevor ich meinen Militärdienst als Durchdiener absolvierte, machte ich ein Kurzpraktikum von drei Monaten an einer heilpädagogischen Schule in Ittigen. Durch den Austausch mit anderen Praktikanten und Praktikantinnen bin ich auf die Fachrichtung der Logopädie gestossen und war sofort begeistert. Von da an war die Sache für mich klar. Auch heute bereue ich diesen Entscheid in keiner Weise.

Wie ist es, einer der wenigen oder gar der einzige Mann in deinem Studiengang zu sein?

Marc: Am Anfang war dies schon sehr gewöhnungsbedürftig. Ich war mir das von der früheren Schulzeit, meinen Freizeitbeschäftigungen oder als Extrembeispiel vom Militärdienst schlicht nicht gewohnt. Da ich mich aber seit jeher auch mit Frauen sehr gut verstehe, war dies eigentlich schnell nicht mehr speziell.

Hast du irgendwelche Erklärungen, wieso es so wenige Männer in der Logopädie gibt?

Marc: Wir Männer sind allgemein in Pflegeberufen, in schulischen oder sonderschulischen Bereichen in der Unterzahl. Daher verwundert es wenig, dass wir in der Logopädie so wenige sind. Dabei ist sicher das Klischeedenken eine Ursache für diese Unterzahl. Für manche Menschen ist halt die Logopädie immer noch ein Frauenberuf, genau gleich wie es für einige nur männliche Informatiker und Automechaniker gibt.

Und bist du der Meinung, dass man mehr Männer dazu bewegen könnte, dieses Studium in Betracht zu ziehen?

Marc: Ja, ich denke schon. Dafür bräuchte es aber allgemein mehr Informationen über den Studiengang. Bis vor vier Jahren wusste ich nicht einmal, dass man Logopädie überhaupt studieren kann. Eine unsichere Maturandin oder ein unsicherer Maturand entscheidet sich heute für ein Wirtschafts- oder Rechtstudium.

Wie siehst du die zukünftige Entwicklung deines Studiengangs?

Marc: Schwierig zu sagen. Entscheidend wird sicherlich auch sein, wie sich der Arbeitsmarkt für studierte Logopädinnen und Logopäden entwickelt. Ich hoffe sehr, dass sich in den nächsten Jahren mehr Männer für Logopädie entscheiden. Denn männliche Bezugspersonen spielen in der Entwicklung des Kindes leider oft nur eine Nebenrolle. In den ersten Jahren ist das Kind meistens unter der Obhut der Mutter, später im Kindergarten hört es auf die Kindergärtnerin und in der Primarschule wird es dann ebenfalls tagtäglich von einer Frauenstimme begrüsst. Ziel sollte es daher sein, dem Kind diesbezüglich in Zukunft mehr Abwechslung bieten zu können.

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Laura, Wie bist du dazu gekommen, Informatik zu studieren, obwohl das ja eher ein männerlastiges Gebiet ist?

Laura: Mit dem Bachelor in Medieninformatik habe ich begonnen, weil ich mir schon als Jugendliche den Umgang mit Programmen wie beispielsweise Photoshop selbst beigebracht habe. In meinem Bachelorstudium hatte ich Vorlesungen in verschiedenen Themengebieten: Marketing, Design und Informatik. Letzteres hat mir so gut gefallen, dass ich mich für einen Master in Informatik entschieden habe.

In deiner Freizeit unterrichtest du „Internet für Mädchen“. Bist du der Meinung dass man junge Frauen dazu animieren sollte, dieses Studium in Betracht zu ziehen?

Laura: Die Idee beim Projekt „Internet für Mädchen“ ist, dass man einen Raum schafft, wo es nicht heisst: „Das ist doch nichts für Mädchen! » oder « Die Jungs haben das hier aber besser gemacht! », sondern wo sie einfach unter sich sein können. Sie sollen die Möglichkeit haben, alles zu lernen. Auch das, was die Eltern vielleicht nicht als mädchenhaft empfinden. Das wird natürlich auch kritisiert, weil es heisst: „Was ist an dem Inhalt besonders für Mädchen? Wieso sollen nicht auch Jungs zugelassen werden? » Es geht eben genau um solche Situationen, in denen es dann den Mädchen schwer gemacht wird, bei technischen Kursen reinzuschnuppern.

Bist du im Studium schon darauf reduziert worden, dass du eine Frau bist?

Laura: Höchstens insofern, dass ich erst mal beweisen musste, dass ich nicht nur so ein „Girlie“ bin. Ich bin ja jetzt auch schon ein bisschen weiter im Studium, und dann gehen die meisten wohl davon aus, dass ich auch etwas kann. Hin und wieder sind Leute aber immer noch skeptisch, ob ich wirklich etwas kann.