Das Landesmuseum Zürich will in einer aktuellen Ausstellung dem Kapitalismus auf den Grund gehen. Spectrum hat sich für euch umgeschaut.

Die Wirtschaftskrise ist seit einigen Jahren dominierendes Thema in den Medien. Doch viele Menschen tun sich mit den damit verbundenen Begrifflichkeiten schwer – was ist eigentlich eine Staatsanleihe? Was bedeutet die Verschuldung eines Staates?

Diese Unsicherheiten liegen der aktuellen Ausstellung „KAPITAL. Kaufleute in Venedig und Amsterdam“ im Landesmuseum Zürich zugrunde. Mit Hilfe der Beispiele Venedig und Amsterdam verfolgt sie das Ziel, den Ursprung des Kapitalismus zu verorten. Und damit das Funktionieren der heutigen Weltwirtschaft durch seine Geschichte verständlich zu machen.

landesmuseum
Die Zukunft zu Besuch bei der Vergangenheit: Empfang des holländischen Botschafters Cornelis van der Mijle durch den Dogen von Venedig im Jahr 1609.

Von der Verdammung zum Aufbruch

Die Ausstellung beginnt kontrastreich: Im ersten Bereich wird einerseits Einblick gegeben in das mittelalterliche Wirtschaftsverständnis. Der Beruf des Geldleihers war Christen verboten, Geldgeschäfte allgemein genossen einen schlechten Ruf. Symbolhaft steht dafür das ausgestellte Stück des Antonius-Altars vom freiburgischen Maler Hans Fries (der übrigens dem Centre Fries seinen Namen geliehen hat), welches die Verdammung eines (zu) reichen Mannes zeigt. Gleichzeitig zeugen ausgestellte Symbole wie ein Globus und venezianische Seekarten und Schiffsmodelle von einer Mentalität des Aufbruchs in der frühen Neuzeit. Dazu gehörte auch der zunehmend freiere Handel, wie die Beschreibungen ausgedehnter Handelsreisen der venezianischen Kaufleute zeigen.

Der „Medienraum“ mit zahlreichen Videos zur Entstehung von Staatsanleihen, Aktiengesellschaften oder zur Bedeutung von Staatsschulden erweisen sich als besonders interessant. Die Begriffserklärung stellen einen Bezug zur Gegenwart her – und plötzlich werden moderne wirtschaftliche Entwicklungen verständlich.

Erschlagende Kunst

In den folgenden Räumen wird die wirtschaftliche Entwicklung Amsterdams im „goldenen“ 17. Jahrhundert reich illustriert, mit Seekarten, Bildern der Stadt und ihrer Händler. Zum Schluss gibt es eine umfassende Sammlung niederländischer Gemälde von Kaufleuten der damaligen Zeit. Die fünfzig Bilder stammen aus der Sammlung Briner und Kern aus Winterthur und werden in der Ausstellung in einem Raum zusammengepfercht – so viel Kunst, dass es einen beinahe erschlägt. Absicht der Aussteller, um die Opulenz jener Zeit zu verdeutlichen? Zur genauen Betrachtung der einzelnen Gemälde eignet sich die Darstellungsform jedenfalls nicht besonders.

Am Schluss der Ausstellung wagen die Kuratoren einen grossen geografischen und zeitlichen Sprung – ins moderne China. Dessen Wirtschaft wächst seit wenigen Jahrzehnten mehr oder weniger ungebremst. Lässt die Vergangenheit von Venedig und Amsterdam Prognosen zur künftigen Entwicklung Chinas zu? Die Frage nach möglichen Parallelen wird mit moderner chinesischer Kunst garniert. Der Zusammenhang zum Gesehenen wird leider nicht ganz deutlich, zu kurz ist hier der Exkurs in die Gegenwart.

Abstraktes Thema verdichtet dargestellt

Das Kernstück der Ausstellung bilden die verschiedenen Filme zur Entstehung wirtschaftlicher Grundinstitutionen im Medienraum: sie erklären erfolgreich, wie der Kapitalismus entstand. Einige andere Ausstellungsstücke erscheinen daneben als – durchaus interessante – „Beilage“, wie zum Beispiel die verschiedenen nautischen Instrumente und Bootstypen. Kapitalismus ist wohl doch ein eher abstraktes Thema für eine historische Ausstellung.

„KAPITAL“ behandelt sein Thema sehr punktuell – verständlich einerseits, da nur begrenzt Platz zur Verfügung steht und die Vereinfachung des Themas das Verständnis erleichtert. Andererseits wäre es spannend, zu erfahren, ob es noch andere „Brutstätten“ des Kapitalismus gegeben hat – sei das nun in Europa oder Asien, in der Neuzeit, im Mittelalter oder auch später. Auch ein Bezug zur Schweiz wäre wünschenswert: Was beispielsweise hat der hiesige Handel über die Alpenpässe zum Kapitalismus beigetragen?

Von Nadja Sutter

Bild © Landesmuseum Zürich

Praktische Infos:

Die Ausstellung wird bis am 17. Februar 2013 gezeigt, von Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr, Donnerstag 10 bis 19 Uhr.

Eintritt für Studierende: CHF 8.-

www.kapital.landesmuseum.ch