Jähzorn zu bezwingen ist leichter gesagt, als getan. Deshalb sind unkontrollierbare Wutausbrüche eine Konstante in der Menschheitsgeschichte. Im Rahmen der Diskussion der sieben Todsünden gibt Jähzorn Grund, über diese Sünde zu reflektieren.

„Iracundiam qui vincit, hostem superat maximum“ – Wer seinen Jähzorn bezwingt, der besiegt seinen grössten Feind, das sagte Pubilius Syrus, ein römischer Autor, schon ein Jahrhundert vor Christus. Allerdings haben alle, die in ihrem Leben schon einmal eine Gruppenarbeit machen mussten, sicherlich wütende Gefühlsausbrüche erlebt. Man selbst dreht spätestens durch, wenn man merkt, dass ein Teil der Gruppe einen anderen Arbeitsstil – oder noch schlimmer, gar keinen Arbeitsstil – hat. Verliert man nicht selbst die Nerven, ist man höchstwahrscheinlich verantwortlich für den Wutanfall eines anderen Gruppenmitgliedes. Oft fragt man sich dann am Schluss, wieso der Mensch überhaupt ein soziales Wesen ist, wenn der Einzelgang so viel leichter wäre.

Google-Suche nach „Ira“

‚Ira’, wie Jähzorn auf lateinisch heisst, gehört zu den sieben Todsünden. Wie der Name ‚Todsünde’ vorwegnimmt, ist sie tödlich. Entweder für einen selbst oder jemand anderen. Seit der Antike versucht man, der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung wegen, ihn den Menschen auszutreiben, obwohl selbst die Götter manchmal jähzornig waren. Tippt man in der Moderne bei Google ‚Jähzorn’ ein, erhält man gleich den Vorschlag zu einer Jähzorn Therapie. Bei der Google-Suche nach „Ira“ stösst man auch auf den Namen „Ira“. Dieser wird gemäss der Webseite Vornamen.ch. ironischerweise im altgriechischen mit „die Friedfertige“ übersetzt.

Jähzorn in allen Formen

Wie sieht so ein Jähzorn aus? Nun, er kann viele Gestalten annehmen. Den akademischen Jähzorn, der sich in Gruppenmitgliedern versteckt, wurde bereits diskutiert. Hormoneller Jähzorn kommt zum Ausdruck bei pubertierenden Teenagern. Politischen Jähzorn findet man morgens in der Zeitung. Städtischen Jähzorn im hupenden Abendverkehr. Ländlichen Jähzorn bei einem Bauern, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Jähzorn kann rote Pausbacken haben, eine schrill schreiende Stimme oder ein stampfender Fuss sein. Jähzorn kann schlagen, treten und beissen in allen gesellschaftlichen Schichten. Jähzorn kann guttun, so falsch dies auch klingen mag, wenn man seinem Ärger Luft machen kann. Jähzorn kann schmerzen und Beziehungen brechen. Theologischer Jähzorn kann im christlichen Gott des Alten Testaments gefunden werden. Literarischen Jähzorn findet man im englischen Roman von John Steinbeck „Grapes of Wrath“. Das Buch wiederspiegelt die Probleme der amerikanischen Migranten nach dem ersten Weltkrieg zur Zeit der grossen Depression in den Vereinigten Staaten. Im Kontext des Romans spricht der Titel die Gier und Selbstsucht der Banken und Grundbesitzer an, die zum Leid vieler Menschen beigetragen haben.

Tugend als Ausgleich zu Sünden

Jähzorn kann auch wie eine Coca-Cola-Flasche sein, die wegen einem Mentos überschäumt und zu explodieren droht. Nach einem Anfall versteht Jähzorn manchmal nicht, was passiert ist. Der vorübergehende IQ einer Pet-Flasche macht es schwierig, eine solch irrationale Emotion nachzuvollziehen. Das Gegenstück dazu ist die Sanftmut. Eine der Tugend, die man – entgegen der Todsünden – seit Jahrhunderten versucht den Menschen sanft einzubläuen. Die Sanftmut ist vielmehr eine heisse Tasse Tee, die trotz kochenden Temperaturen stabil bleibt und weiss, wie man einen kühlen Kopf bewahrt. Einmal schrie der Jähzorn „Ich lass mich nicht provozieren“ und bewies dadurch, dass er sich provozieren liess, stürmte aus dem Zimmer raus und knallte die Tür. Die Sanftmut blieb zurück und lachte schallend. Wieso sich aufregen, wenn man mit einem angenehmeren Leben belohnt werden kann? Deshalb lautet meine Devise: Durchatmen und seinen Feind besiegen – ganz ohne Blut zu vergiessen!