H wie Heitere. Oder Highlight. In der Agenda einer (Fernweh-)Ortskundigen darf es nicht fehlen: „s’Heitere“, wie es liebevoll genannt wird. Es kann getrost als Highlight in der Agenda bezeichnet werden. Im Vorfeld wurde das Programm des 27. Heitere Open Air oft als schwach bezeichnet. Auch von meiner Seite. Im Nachhinein muss ich aber zugeben: Einige Highlights hatte das Line-Up durchaus zu bieten. Vor allem die Schweizer Acts, welche heuer zahlreich auf dem Zofinger Hausberg vertreten waren, trumpften auf: Den Jungs von Dabu Fantastic stand am Samstagnachmittag die Freude am Musizieren förmlich ins Gesicht geschrieben. Sänger Dabu Bucher wagte gar den Spaziergang durch die Menge. Natürlich durfte ihr Mega-Hit „Angelina“ nicht fehlen. Sie spielten ihn ganz am Schluss. Der Meute war dies egal – sie sang lauthals mit. Lo & Leduc legten einen tollen Auftritt hin: Die Stimmungsgaranten witzelten, unterhielten sich mit dem Publikum und rappten darauf los. Auch der Solothurner Manilio und der Berner Nemo zeigten, dass sie „Bock“ aufs Heitere hatten. Als Samstags-Headliner trat Silbermond auf. Vor allem die sympathische Frontfrau Stefanie Kloss trug viel zum geglückten Auftritt der Deutschen Band bei. Sie erzählte vom nachmittäglichen Spaziergang über den Zeltplatz und liess es sich nicht nehmen, sich von den Händen des Publikums tragen zu lassen. Musikalisch schlugen die vier Deutschen vorwiegend rockige Töne an, wohlwissend, dass die Ruhigen an einem Festivalsamstag fehl am Platz wären. Mit ihren Hits wie „Krieger des Lichts“, „Irgendwas bleibt“ und vor allem „Leichtes Gepäck“ hatten sie das Publikum vor der Hauptbühne schon nach kurzer Zeit absolut in den Bann ihrer Musik gezogen.

E wie Enttäuschung. Auch die gehört zu einem Festival dazu. Auf dem dritten Platz der Enttäuschungs-Parade landet Züri West. Kuno Lauener wirkte nervös und unvorbereitet. Er sprach bei seinem Konzert am Freitag davon, dass er sich freue, in dieser lauen Sommernacht auf dem Heitere zu spielen – dabei regnete es schon den ganzen Nachmittag. Die Berner spielten vor allem neue Lieder, welche dem Publikum offensichtlich grösstenteils unbekannt waren. Kurz: Der Funke wollte einfach nicht überspringen. Auf Platz zwei landet Icona Pop. Die Mischung aus Elektropop und Gesang versprach einen fetzigen Abschluss für die tanzwütige und trinkfeste Meute am Samstagabend. Leider funktioniert live vieles nicht, was im Studio zusammengemischt wird. Es quietschte regelrecht aus den Boxen, die Stimmen der beiden Schwedinnen wirkten dünn. Da brachten auch Animationsversuche und sexy Outfits nichts. Eindeutig den Vogel abgeschossen – und damit der Sieger der diesjährigen Enttäuschungs-Parade auf dem Zofinger Hausberg – hat die deutsche Rap-Combo K.I.Z. Zugegeben: Ich habe das Konzert nur von weitem mitverfolgt, deutscher Gangsta-Rap ist nicht mein Ding. Doch wer aus dem Refrain von „We are the World“ „Du Hurensohn, ihr Hurensöhne“ macht, dessen Konzert muss ich definitiv nicht erleben.

I wie Icona Pop. Weil das schwedische Duo den Erwartungen nicht gerecht wurde, musste das tanzwütige Publikum halt anderweitig seine Befriedigung suchen. Und fand diese, wie jedes Jahr, im Rivella-Zelt. Dort, in diesem engen, stickigen Zelt spielt ein DJ jeweils aktuelle Charts und Hits aus den vergangenen Jahren zum Mitsingen und Mittanzen. Dort drin mausert sich jeder Bewegungsmuffel zum Tanzbär. Und – wie jedes Jahr – war es auch heuer so dermassen voll, dass man sich fast nicht bewegen konnte und die eine oder andere Bierdusche vorprogrammiert war. Spass macht’s trotzdem.

T wie „tent“, auf Deutsch Zelt. Zelten war dieses Jahr eine richtige Herausforderung, der Regen hinterliess schon früh seine Spuren. Bereits am Freitag, dem ersten Festivaltag, war die Zeltstadt vor allem durch zentimeterhohen, braunen Schlamm zu erkennen. Dementsprechend waren stabile und vor allem dichte Zelte von Vorteil und das Tragen von Regenponchos, Gummistiefeln oder Wanderschuhen Pflicht.

E wie Essen. Asiatisch, Mexikanisch, Italienisch, Türkisch. Dem Festival-Besucher wurde nicht nur musikalische, sondern auch kulinarische Vielfalt geboten. Als Highlight herausstreichen würde ich dieses Jahr das mit Poulet und Currysauce gefüllte Pitabrot vom Migros-Stand. Als preisliche Frechheit, die zehn Chicken Nuggets, die für zwölf Franken erworben werden können. Wer finanziell etwas weniger gut betucht ist, geht vom Hügel runter in die Stadt zur nächstgelegenen Einkaufsmöglichkeit und besorgt sich alles Nötige. Besonders einfallsreich zeigten sich die Bewohner und Bewohnerinnen des AHV-Zelts, welches im Zeltsektor D aufzufinden war. Neben originellen Schildern und pinken Plastikblachen bastelten sie sich einen Grill aus einem Rollator und nannten ihn, na wie wohl? Grillator.

R wie Ritual. Wieso geht man ans Heitere, wenn das Wetter mies und das Programm mässig ist? Nun, diese Frage habe ich mir dieses Jahr des Öfteren gestellt. Und ich bin stets auf die gleiche Antwort gekommen: Zu Oberstufen- und Kantizeiten bildete das Open Air stets den Abschluss der Sommerferien. Auch heute ist es noch so. „s’Heitere“ gehört einfach zum Sommer dazu. „Ans Heitere geht man nicht wegen dem Programm“, hat es meine Kollegin beim sonntäglichen Nachhauseweg treffend formuliert. Nein, man kommt wegen der tollen Stimmung, dem Feeling, der Atmosphäre, die dort, hoch oben über Zofingen, für Auswärtige so schwer vorstellbar ist. Und wegen den Leuten, von denen man viele kennt, wenn man acht Jahre in Zofingen zur Schule gegangen ist. Nicht nur das Festival selbst trägt zum Heitere-Feeling bei. Auch der Zeltplatz hat einen grossen Anteil daran. Er ist so gross, dass einige Gruppen gar einfach die ganze Woche dort zelten – ohne das Festivalgelände auch nur einmal von innen gesehen zu haben.

E wie Ende. Der Abschluss machte Andreas Bourani. Bei gefühlvollen und intellektuellen Balladen liess er das Heitere 2017 stilvoll ausklingen. Der Sonntag, das Ende des Heitere, ist stets der melancholischste Tag des gesamten Festivals. Vielleicht liegt es an der stets ruhigeren Musik und dem damit verbundenen andächtigen Ambiente. Vielleicht auch daran, dass dem Festival-Besucher, wenn die Sonne hinter dem Jura untergeht, bewusst wird, dass die schönsten drei Tage in Zofingen bereits wieder der Vergangenheit angehören. Wenn dann noch zu Andreas Bouranis „Auf anderen Wegen“ mitgewippt wird, sind einem die Tränen nahe. Und auch wenn das Line-Up diesmal eher ein durchzogenes Fazit abwirft, werde ich nächstes Jahr wiederkommen. Wegen H wie Highlight, E wie Essen und vor allem wegen R wie Ritual.

Bild: zvg