Die Oper stellt ein Abbild der Gesellschaft dar. Aufgrund ihrer Zeitlosigkeit verliert sie auch nach 230 Jahren ihre Aktualität nicht. Matthew Wilds Inszenierung von Mozarts Don Giovanni trifft den Nerv der Zeit.
Wie in den meisten Opern geht es auch in Mozarts Don Giovanni um die Liebe. Das Libretto, geschrieben von Lorenzo da Ponte, behandelt aber nicht etwa die romantische, sondern die sexuelle Liebe. Matthew Wild spart diesbezüglich auch nicht an Sexszenen; sei dies auf einem Pokertisch, in einem übergrossen Stöckelschuh – wo typischerweise die „Blitzheiraten“ abgehalten werden – oder aber über Videoübertragung direkt aus dem Schlafgemach von Giovanni.
Zur Handlung: Don Giovanni, Casinobesitzer und Charmeur, verführt Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und betrügt sie hinterher. Er tue dies aus Liebe, so Giovanni, denn wer nur einer Einzigen treu sei, sei grausam zu den anderen. Sein Diener Leporello versucht ihn immer wieder von seinem Lebensstil abzubringen, Giovanni hört jedoch nicht auf ihn. Zum Schluss erscheint der wieder zum Leben erwachte Commendatore und fordert Giovanni auf, seine Untaten zu bereuen. Giovanni hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und erfährt seine Strafe.
Giovanni, der Süchtige
Wilds Don Giovanni spielt sich in den frühen 80er Jahren in Las Vegas ab. Eine Grossstadt, in der die Eheschliessung in wenigen Minuten Tatsache ist. Las Vegas wird von Wild klischeehaft als Inbegriff des Reichtums, der Oberflächlichkeit und vor allem der Abhängigkeit verwendet. Abhängigkeit in Form einer Sucht nach Sex, Drogen und Geld. Auch Don Giovanni ist süchtig. Er stellt jeder Frau nach, zieht sich regelmässig eine Linie Kokain und wirft auf der Bühne mit Geld um sich. Dieses „Schein und Sein“ wirkt auf den Schauplätzen Las Vegas, insbesondere in den Casinoszenen, authentisch. Wild zeigt am Beispiel Giovannis schonungslos auf, dass sich Menschen mit Macht und Geld vieles erlauben können, ohne die Konsequenzen für ihr Handeln tragen zu müssen. Trotz seiner notorischen Untreue übt Giovanni eine fast erschreckende Anziehung auf Frauen aus, die ihm nicht widerstehen können. Ironischerweise kann der Protagonist am Ende nur von einem übernatürlichen Wesen, dem Commendatore, zur Rechenschaft gezogen werden.
Musikalische Umsetzung
Der amerikanische Bariton Todd Boyce passt ausgezeichnet in die Rolle des Giovanni. Mit seiner schlanken und hellen Stimme umgarnt er die Frauen gekonnt und sprüht dabei nur so vor Energie. Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Kevin John Edusei begleitet die Solisten dezent und präzise. Edusei interpretiert Mozarts Musik auf eine leichte und erfrischende Art und Weise. Er schafft es gekonnt, die verschiedenen Charaktere voneinander abzugrenzen und verleiht ihnen dadurch Kontur. Der berühmte Auftritt des Commendatore in der zweitletzten Szene überzeugt nicht gänzlich. Die Inszenierung in dieser Szene lässt nicht wirklich erkennen, dass das Erscheinen des übernatürlichen „Racheengels“ der absolute Höhepunkt der Oper darstellt. Zudem fehlt dem südkoreanischen Bass Young Kwon bei dessen Einstieg ein wenig die stimmliche Präsenz und Durchschlagskraft. Don Giovanni gilt seit E.T.A. Hoffmann als „Oper aller Opern“. Umso mehr ist sie in dieser Fassung absolut sehenswert.
Kultur zum “Schnäppchenpreis”
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www.konzerttheaterbern.ch
Nächste Vorstellung: Samstag, 24. Februar 2018, 19:30-22:30