Welchen Einfluss hat ein Tanz zwischen Vater und Tochter, Mutter und Sohn auf die Ehre einer Familie? Keinen. Keinen negativen zumindest, lautet die spontane Antwort. Eine nahezu banale Frage, welche in Nishas Familie jedoch durchaus Konfliktpotenzial annimmt. What will people say, ein Drama zweier kollidierender Welten.
Wut und Entsetzen, dann wieder Frohmut und Hoffnung, die im Endeffekt dann wieder in Schwermut und Unglaube mündet. Steht eines fest, dann, dass der 2017 erschienene Film von Regisseurin Iram Haq die ganze Palette an Emotionen und Gefühlen deckt.
Nisha ist sechzehn. Sie lebt gemeinsam mit ihren pakistanischen Eltern, ihrem älteren Bruder Asif und einer kleinen Schwester in Norwegen, fernab ihres Herkunftslandes und der dazugehörigen Kultur. Kulturelle Erfahrungen sammelt die Schülerin ausschliesslich zuhause, im Kreise ihrer Familie. Nisha befindet sich in der Blüte ihrer Jugend und will diese möglichst auf dieselbe Art und Weise auskosten, wie es ihre Mittschüler und Freunde tun. Dazu gehört en passant auch der Kontakt zu Drogen, Alkohol und nicht zuletzt auch das andere Geschlecht. Erinnere ich mich zurück, so waren diese Erfahrungen auch in meinem persönlichen Umfeld stets mit kleinen, harmlosen Unwahrheiten, sogenannten „White lies“ verbunden.
Bei Nisha ist das Ganze etwas anders. Wo uns höchstens ein Ausgehverbot, eine Moralpredigt oder Fernsehentzug drohte, hatten die Konsequenzen ihres Handels für sie ein viel grösseres, gar immenses Ausmass. Von ihren Wünschen und Bedürfnissen geleitet, ist sie gezwungen, im Unwissen ihrer Eltern ein Doppelleben zu führen. Als die von ihr selbst geschaffenen Illusion eines „normalen“ Lebens der Realität und somit der Unkenntnis ihrer Eltern nicht mehr standhält, beginnt für die 16-jährige eine neue, ihr bisher unbekannte, von Angst und Verzweiflung geprägte Wirklichkeit. Radikal wird sie von Vater und Bruder nach Pakistan verschleppt. Nach kurzem Protest sieht sie sich gezwungen, sich den Sitten und Bräuchen eines ihr fremden Landes zu ergeben.
Der Zuschauer erfährt derweilen einen kurzlebigen Hoffnungsschimmer, welcher sich allerdings rasch wieder in einen Zustand der Erschütterung wendet. Hervorzuheben ist, dass die weiblichen Figuren, wie beispielsweise die Mutter oder Tante, im Vergleich überraschenderweise als weitaus intoleranter und zynischer erscheinen als die männlichen.
Teilweise wirkt der Plot etwas absonderlich. Aus Sicht des Zuschauers tauchen einzelne Fragen auf, welche sich aber im Nachhinein teils durch jugendlichen Leichtsinn, teils durch das Ausreizen von Grenzen beantworten lassen können. Inspiriert durch Erfahrungen ihres eigenen Lebens, schuf die selbst norwegisch-pakistanische Iram Haq ein Meisterwerk, dessen Würdigung sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ganz subtil trifft der Titel, What will people say, den Nerv des Geschehens. Ein atemberaubender Streifen mit Gänsehauteffekt, welcher es auch dem routiniertesten Kinogänger erschwert, den Blick ununterbrochen auf die Leinwand zu richten.
In Toronto für den Plattform Preis nominiert, ist What will people say auch am FiFF ein Kandidat mit Gewinnerpotential für sämtliche Preiskategorien.