Der Zeichentrickfilm Ein Königreich für ein Lama von Realisator Mark Dindal ist wohl für alle Jahrtausender ein Begriff. Nun fragen sich wohl alle über den Zusammenhang eines Disneyklassikers und dem Leben einer mongolischen Nomadenfamilie. Vorwegzunehmen ist, dass die Deutschkenntnisse meiner Mutter damals noch etwas eingeschränkter waren, als sie es heute sind. So landeten wir anstelle des heissbegehrten Kinderfilmes in einer Dokumentation mit dem Titel Das weinende Kamel.
Ich erinnere mich noch gut an den etwas anderen Kinobesuch, an die kurzweilige Enttäuschung über das kleine Missgeschick und einer sehr emotionalen Reaktion auf die dargebotenen Szenen. Seinerzeit mit sieben, besuche ich am diesjährigen FiFF mit heute zweiundzwanzig Jahren den 2004 für einen Oscar nominierten Dokumentarfilm von Regisseuren Luigi Falorni und Bayambasuren Davaa. Im Vergleich zu damals, als ich mit feuchten Augen und roter Nase den Kinosaal verlies, fällt der heutige Response deutlich trockener aus. Nicht etwa auf eine negative Art und Weise, schlichtweg auf eine andere.
„Wir wussten nicht was uns dort erwartete oder welchen Verlauf die Geschichte nehmen würde“, erklärt Davaa. Der 2003 erschienene Dokumentarfilm schildert das Leben und den Arbeitsalltag einer Nomadenfamilie in der zentralasiatischen Gobi. Als Besitzer einer grossen Kamel- und Schafsherde dreht sich der Alltag dabei hauptsächlich um die Versorgung und Verpflegung der vielen Tiere. Als eines Tages, überraschenderweise zu Zeiten der Dreharbeiten, ein neues Kamel das Licht der Welt erblickt, richtet sich der Fokus der Familie sowie auch derjenige der Filmcrew primär auf das Leben und spätere Überleben des kleinen. Mit Hilfe eines mongolischen Musikrituals, auch Hoos-Ritual genannt, wird versucht, die Kamelmutter und ihr verstossenes Fohlen wieder zu vereinen. Das gesungene Wort „Hoos“ hat dabei keine Bedeutung, es zählt einzig der Laut, die Buchstabenkombination. Für das Publikum ein spiritueller, wie auch teils emotionaler Exkurs in die Welt des Wandervolkes.
Parallel veranschaulicht der Film auch den sowjetischen Einfluss auf die Kultur und das Leben der mongolischen Bevölkerung. Verdeutlicht wird dieser durch die kyrillische Schrift, sowie auch dem sowjetischen Zeichentrickfilm „Nu Pagadi“, welchen die Kinder mit aufgerissenen Augen im Fernsehen verfolgen. Somit erweist sich auch die Modernisierung und deren Auswirkungen auf das Leben der Nomadenfamilien als äusserst prägnant. Als Beispiel sei hier die Fortbewegungsweise der Stadtleute auf Motorrädern und Autos, in Kontrast zum klassischen Gebrauch von Nutztieren erwähnt. Laut Davaa, habe sich in den letztes zehn Jahren, vor allem dank des technischen Fortschrittes, vieles rund um die Lebensweise der Gobi-Nomaden verändert. Irgendwo vielleicht sogar ein Bisschen schade, wenn man bedenkt, dass das Gesehene in dieser Form nicht mehr existiert. Dennoch eine gelungene Reise in eine mehrheitlich unbekannte Kultur und deren Bräuche.