Schmetterlinge und Falter sind die artenreichsten Insekten. Ihre Vielfalt erlaubt uns einiges von ihnen zu lernen.

 

In einem Museum in Australien entdeckte Dr. Jennifer L. Kelley etwas Besonderes: Ein Tierchen der Faltersammlung veränderte seine Farbe beim Vorbeigehen. Die dunklen Punkte auf den Flügeln verwandelten sich je nach Winkel in silberne Spiegel. Um diese Entdeckung zu erforschen, kontaktierte Dr. Kelley den Physiker Dr. Bodo Wilts am Adolphe Merkle Institut in Freiburg.

 

Faszination der Falter

Es gibt ungefähr 165’000 bekannte Arten von Schmetterlingen oder Faltern. Dr. Wilts untersucht sie wegen ihren Farben. Ihre Flügel weisen unterschiedlichste Muster auf, die sie als Signale verwenden. «Das ist zwar ein universelles Prinzip, das wir auch bei anderen Insekten oder Vögeln beobachten, aber bei Schmetterlingen und Faltern ist die Diversität sehr gross», erklärt Dr. Wilts.

Bereits seine Doktorarbeit schrieb Dr. Wilts über Strukturfarben in der Natur. 2019 veröffentlichte er in Zusammenarbeit mit Dr. Kelley und anderen Forschenden ein Research Paper über die Dot-underwing Motte oder die Eudocima materna, welche Dr. Kelley im Museum entdeckt hatte. Dr. Kelley schickte ihm einige Exemplare der Motte, die er in Freiburg untersuchen konnte. Noch heute faszinieren Dr. Wilts diese Insekten: Während unseres Zoom-Gesprächs trägt er ein Hemd mit Schmetterlingsdruck.

 

 

Strukturfarben

Was aber hat ein Physiker eigentlich mit Schmetterlingen zu tun? Zur Tarnung oder Paarung verwenden viele Schmetterlinge die Färbung ihrer Flügel. Die besonderen Farbeffekte entstehen auf zwei Arten: Durch Pigmente oder durch Strukturen. Pigmente sind chemische Moleküle, die Licht streuen oder absorbieren, sodass wir sie als eine bestimmte Farbe wahrnehmen. In den Schmetterlingsflügeln sorgen Pigmente wie Melanine, Ommatine oder Pterine für satte Farben von schwarz-braun über rot bis gelb. Anders als Pigmente sind Strukturfarben nicht chemischer, sondern physikalischer Natur. Kleinstrukturen auf einer Oberfläche brechen das Licht und erzeugen dadurch einen metallischen, schillernden Farbeffekt. Je nachdem aus welchem Winkel wir auf eine Strukturfarbe schauen, verändert sich die Farbe, die wir sehen. «Der einfachste Fall einer Strukturfarbe wäre somit die Seifen- blase», erklärt Dr. Wilts.

Bei der Eudocima materna liegen zwei verschiedene Flügelschuppen übereinander. Die untere Schicht ist eine dunkle Pigmentschicht, die Schuppe darüber besteht aus nanostrukturiertem Chitin. Diese zweite Schicht wirkt wie ein teildurchlässiger Spiegel. Aus manchen Winkeln spiegelt sie das Licht silbern, aus anderen wiederum ist die Schicht durchsichtig und gibt den Blick auf das dunkle Melanin frei.

 

Licht und Duft

Über den Nutzen dieses Lichteffekts lässt sich nur spekulieren. Denn bisher ist es nicht möglich, nachts Videos von Motten zu machen, ohne dass die Tiere durch das Licht der Kamera angelockt werden und ihr Verhalten ändern. Im 19. Jahrhundert wies der Insektenforscher Jean-Hénri Fabre nach, dass einige Nachtfalter Sexualpartner mit Duftstoffen über weite Distanzen anlocken können. Ähnlich wie die Duftstoffe, könnte auch der schillernde Punkt auf den Flügeln der Eudocima materna mit der Paarung zusammenhängen. Wenn ein Männchen bei Vollmond rasch mit den Flügeln flattert, so blinken diese auf. Der Kontrast von hell zu dunkel ist in der Nacht ideal.

Dr. Wilts erforscht Strukturfarben, um zu lernen, wie wir sie nachbauen könnten: «Die Natur kann komplexe Lichteffekte erzeugen, die ausserhalb unserer Vorstellungskraft liegen.» Wenn es gelingt diese Effekte besser zu verstehen, könnten sie für den Menschen, z.B. für Warnsignale, nützlich sein. Ein Einblick in die Welt der Schmetterlinge und Insekten ist ein Ein- blick in das, was in der Natur möglich ist. So schrieb Jean-Hénri Fabre: «Diese Wunder waren mir von der Lektüre her bekannt; aber sie mit eigenen Augen zu sehen und zur gleichen Zeit mit ihnen zu experimentieren, ist eine ganz andere Sache.»

 

Text und Illustration: Alyna Reading


Dr. Bodo Wilts

2014 bis August 2021: wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Physik der weichen Materie am Adolphe Merkle Institut in Freiburg i.Ue

seit Oktober 2021: Professor für Materialphysik an der Universität Salzburg