«Vivir la vida! – Es lebe das Leben!» Mit Sätzen wie diesen und ihren berühmten Selbstportäts mit den auffallend markanten Augenbrauen, hinterliess Frida Kahlo ihre eigene, einzigartige Handschrift.

 

Trotzt ihrer schlimmen Leidensgeschichte, kämpfte Frida Kahlo unermüdlich weiter, denn in einer von Machismo geprägten Welt aufzugeben, stand für sie ausser Frage. So entwickelte sich die bekannte mexikanische Künstlerin über die Jahre hinweg zu einer Ikone und ist vielen Menschen, besonders Frauen, bis heute ein Vorbild.

 

Die Kindheit im Casa Azul, dem blauen Haus

Am 6. Juli 1907 kommt Kahlo im Casa Azul in Coyoacán, einem Stadtbezirk von Mexiko City, zur Welt. Ihre Leidensgeschichte nimmt ihren Ursprung in Kahlos Kindheit. Mit sieben Jahren vermutet ihr Arzt, sie sei an Kinderlähmung erkrankt. Später wird bei ihr jedoch eine Fehlbildung der Wirbelsäule diagnostiziert, die Kahlo für einen Grossteil ihrer Kindheit zwingt, still zu halten und im Bett zu bleiben. Das ist nicht leicht für die kleine Frida, die voller Tatendrang ist und sich schon da nach Freiheit sehnt.

Nachdem sie sich körperlich erholt hat, besucht sie die angesehene Schule Escuela Nacional Preparatoria und ambitioniert, wie sie ist, fasst sie das Ziel ins Auge Medizin zu studieren.

Das Casa Azul in Coyoacán, Mexiko (Foto: Ella Lory)

Die mexikanische Revolution

Frida Kahlo setzt sich früh mit dem Selbst auseinander. Ihr erster Akt der Selbstinszenierung ist die Fälschung ihres Geburtsjahres von 1907 auf 1910. Der Grund dafür ist nicht etwa jugendlicher Blödsinn, womit sie ihre Eltern ärgern möchte. Das Geburtsjahr 1910 steht für den Ausbruch der mexikanischen Revolution, die bis weit in die 1920er Jahre dauern sollte. Mittendrin tanzt Kahlo. Sie nimmt aktiv an Demonstrationen teil und engagiert sich in der kommunistischen Partei, womit Kahlo selbst ein Teil des Umschwungs ist. Über die mexikanische Revolution sagt sie: «Wir wollten uns frei ausdrücken – wir wollten frei erschaffen – wir wollten frei sprechen – wir wollten frei lieben.»

 

Der «Planet aus Schmerz»

Es folgt eine düstere Zeit, gefüllt mit Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Das Gemälde «Der Bus» (1929) zeigt wie fünf Leute und ein kleiner Junge im Innern eines klapprigen Buses auf einer Bank sitzen. Eine der Frauen stellt womöglich Frida Kahlo selbst dar. Der kleine Junge schaut aus dem Fenster, wo die friedliche Landschaft langsam vorbeizieht.

Am 17. September 1925 steigt Kahlo wie gewohnt mit ihrem Freund Alejandro Gomez Arias in den Bus. Während der Fahrt knallt der Bus mit einer Strassenbahn zusammen. Beim Aufprall erleidet Kahlo mehrere Knochenbrüche und eine Stossstange durchbohrt ihr Becken wie ein Spiess.

Vom Traum Medizin zu studieren, muss sie sich verabschieden und blickt einem Leben mit starken Schmerzen, gezwängt in einen Ganzkörpergips und ein Korsett entgegen. Frida Kahlo selbst nennt es einen «Planet aus Schmerz». Ein Planet, der jederzeit explodieren kann.

 

Die Malerin im Himmelbett

Trotz des Leidens gibt sie ihr Leben nicht aus der Hand und behält den Pinsel fest im Griff. Denn unter dem Baldachin ihres Himmelbetts ist ein Spiegel befestigt, in dem sie sich die ganze Zeit über selbst beobachtet, währendem sie ans Bett gefesselt daliegt. So beginnt sie, ohne gross darüber nachzudenken, mit den Ölfarben ihres Vaters zu malen:«Ich male mich, weil ich sehr viel Zeit allein verbringe und weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne»

Das «Selbstbildnis mit Samtkleid» (1926), ist Fridas erstes Selbstporträt von vielen. Sie malt sich selbst mit markanten Augenbrauen. Markanter als sie in Wirklichkeit sind. Frida will aber etwas Auffälliges, womit sie aus der Menge sticht. Alejandro soll nur noch Augen für sie haben. Ihren Sinn für Humor verliert Frieda nicht und sagt: «Ich verspotte den Tod und lache über ihn, damit er mich nicht überwältigt.»

 

Kopfüber in die Wogen einer stürmischen Beziehung

Im Jahr 1928 trifft die inzwischen 22-jährige Frida Kahlo auf den berühmten mexikanischen Maler und Anhänger der kommunistischen Partei Diego Rivera und verliebt sich Hals über Kopf. Diego Rivera wurde durch seine revolutionären Wandgemälde bekannt, aber auch als Frauenheld hat er sich einen Namen gemacht. Wie üblich ist Frida Kahlo nicht aufzuhalten und hat nur noch Augen für Rivera. So heiraten die beiden ein Jahr später im August 1929 in Coyoacán. Ein Jahr später beginnt Rivera eine erste Affäre, die leider nicht die einzige bleiben wird. Treue scheint bei Rivera keine Priorität zu haben. Frida bewundert ihn dennoch, und das Paar entwickelt eine stürmische Beziehung voller Zuneigung, Liebe, aber auch Affären. Frida gesteht: «Ich bin dieser törichte Mensch, der immer liebt, liebt, liebt. Und liebt. Und niemals verlässt.»

Im kommenden Jahr erhält Diego  Rivera den Auftrag zwei Wandgemälde in Kalifornien zu malen und das Paar fliegt nach Amerika. Kahlo hat zu Beginn Mühe sich anzupassen und sich an die Grossstädte mit verschmutzen Strassen und rasenden Autos zu gewöhnen. Gequält von Heimweh, sehnt sie sich nach den bunten Strassen und der Biodiversität Mexikos. Nebst dem Heimweh und der turbulenten Beziehung zu Rivera, erleidet Kahlo mehrere Fehlgeburten. In schweren Zeiten wie diesen ist die Malerei für  sieeine Art Therapie und hilft ihr beim Verarbeiten von Kummer und dunkeln Gedanken.

1933 ziehen die zwei nach New York. Rivera hat einen weiteren Auftrag. Er soll die Wand des kürzlich gebauten Rockerfeller-Zentrums bemalen. Diego hat jedoch seine eigene Vorstellung davon, wie das Wandgemälde aussehen soll und widerspiegelt darin seine negative Haltung gegenüber dem Kapitalismus.

Rivera verliert den Auftrag, woraufhin er und seine Frau nach Mexiko zurückkehren. Kahlos gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich wieder und zu allem Übel stellt sich heraus, dass Rivera eine Affäre mit ihrer jüngeren Schwester Cristina hat, ihrer liebsten Schwester. Ein Jahr vergeht in Schmerz und Verzweiflung, dann greift Kahlo erneut zum Pinsel und beginnt wieder zu malen.

Zurück im Casa Azul besucht sie im Jahr 1937 der Marxist Leo Trotzki und seine Frau. Kahlo lässt sich wie so oft durch nichts aufhalten und Trotzki wird ihr Geliebter. Zwar lassen sie die Affären von Diego nicht kalt, aber sie nimmt sich nun selbst die Freiheit, mit anderen Männern wie auch mit einigen Frauen zu verkehren.

Ein wichtiger Schritt als Künstlerin gelingt Kahlo mit einer erster Einzelausstellung, die im November 1938 in der Galerie Julien Levy in New York stattfindet. Ein Jahr später folgt eine Ausstellung ihrer Bilder in der Pariser Galerie Renout & Co, wo sie einen grossen Erfolg feiert.

Frida Kahlos Arbeitstisch im Casa Azul (Foto:Ella Lory)

«Die zwei Fridas» und ein Neuanfang in Mexiko

Im November 1939 kehrt Frida Kahlo nach Mexiko zurück und lässt sich von Diego Rivera scheiden. Die Beziehung zehrt an ihren Kräften und sie hält das Hin und Her nicht mehr länger aus.

Das berüchtigte Gemälde «Die zwei Fridas» reflektiert die komplizierte und verwobene Beziehung zwischen Liebe, der Suche nach Zuneigung und Hass zu Rivera. Es wird später in der Galeria de Arte Mexicano ausgestellt. Die Frida links im Bild trägt ein weisses Hochzeitskleid und hat ein gebrochenes Herz. Sie blutet und versucht es zu stoppen, doch es tropft immer weiter bis die Blutstropfen am Saum ihres Kleides die Form von schönen, zarten Blumen annehmen. Später erklärt Frida: «So habe ich auch mein Leben gelebt: Ich habe Schmerz in Schönheit verwandelt, und ihm dadurch einen Sinn gegeben»

Zwischen Kahlo und Rivera kommt es letztlich zu einer Versöhnung und sie beschliessen im Jahr 1940 ein zweites Mal zu heiraten und in das Casa Azul zu ziehen. Sechs Jahre später erreicht Kahlo mit ihrem Werk «Moses» den Höhepunkt als Künstlerin und erhält den Nationalpreis für Malerei. Endlich scheint es ihr nach langer Zeit wieder gut zu gehen und sie sagt: «Wenn es mir gesundheitlich besser ginge, könnte man beinahe sagen, dass ich glücklich bin.»

 

Nicht enden wollende Schmerzen und ein letzter Erfolg

Physische und psychische Schmerzen quälen Frida Kahlo noch immer. Schliesslich muss sie im Jahr 1950 längere Zeit im Krankenhaus verbringen, wo sie erneut nur noch im Liegen malen kann; aber sie malt. Der letzte Erfolg feiert Kahlo 1953 mit einer Einzelausstellung in ihrer Heimat, in der Galeria Lola Alvarez Bravo in Mexiko. Noch im gleichen Jahr muss schliesslich ihr Bein amputiert werden und Kahlo fällt in eine schwere Depression. In ihrer Verzweiflung aus Kummer und Schmerz versucht sie sich das Leben zu nehmen: «Langsam schliesse ich Frieden damit, dass ich mich nicht mehr erholen werde. Dass dies – mein Schicksal ist.»

 

Trotz all der Qualen bleibt Frida Kahlo weiterhin aktiv, auch politisch, und nimmt sogar wieder an einer Demonstration teil. Sieben Tage nach ihrem 47. Geburtstag, am 13. Juli 1954 stirbt Frida Kahlo an einer Lungenembolie im Casa Azul. Eines steht fest: Frida Kahlo lebte ihr Leben und ihre Kunst trotz des bitteren Beigeschmacks, oder vielleicht gerade deswegen.

 

 

Text: Ella Lory

Beitragsbild: „Las Dos Fridas“ von Frida Kahlo