«Lernst du Japanisch?» Es gibt vermutlich keinen besseren Weg, eine Kultur kennenzulernen, als durch deren Sprache. Aber ist Japanisch wirklich so herausfordernd, wie es scheint?

Obwohl Japan fast 10’000 Kilometer von uns entfernt ist, fasziniert die Kultur und nicht zuletzt ihre Sprache. Durch die Verbreitung von Anime, Manga, J-Pop und der japanischen Küche kommen wir immer mehr in Berührung mit den uns fremden Zeichen. Das Sprechen der Sprache gibt uns die Möglichkeit, mit Menschen zu kommunizieren und ermöglicht einen Einblick in andere Denkweisen und Normen. Doch was reizt uns am Japanischen und was sind dessen Besonderheiten?

 

Das schwierigste Schriftsystem der Welt?

Im Japanischen gibt es nicht nur eines, sondern gleich drei unterschiedliche Schriftsysteme. Es ist üblich, alle im gleichen Satz zu verwenden. Denn jedes System hat andere grammatikalische Aufgaben. Dazu gehören auch die beiden Silbenschriften Hiragana und Katakana.

Hiragana bildet die Konjunktionen, Partikel und Adverbien. Katakana wiederum die Lehnwörter aus anderen Sprachen. Ein gutes Beispiel dafür ist das englische Wort «cheese» – auf Japanisch «chiizu» (チーズ) – mit einer sehr ähnlichen Aussprache. Für Ausländerinnen und Ausländer hat das einen grossen Vorteil. So sind einige Wörter bereits aus der eigenen Sprache bekannt und müssen nicht neu erlernt werden.

 

 Zum dritten und komplexesten Schriftsystem gehören die Kanji, die Schriftzeichen chinesischen Ursprungs. Von ihnen gibt es über 50’000. Es empfiehlt sich, 2’200 zu kennen, um sich im Alltag in Japan verständigen zu können. Sie stellen Nomen und Teile eines Wortes dar. Viele Anfängerinnen und Anfänger der Sprache haben grossen Respekt davor, denn ohne ständiges Repetieren der Bedeutung und der Schreibweise sind sie schnell  vergessen.

Laut Chikako Schürch, Japanischlehrerin an der Migros Klubschule, sind mittlerweile Apps eine gute Möglichkeit, das Lernen der Kanji mit Spass zu verbinden. Zudem sagt sie: «Japanisch ist eine kontextlesende Sprache. Aus dem Gesprächsfluss muss der Lesende oder Zuhörende bestimmen, was das Thema vorher und nachher ist. Dies führt zu keinen Konversationsschwierigkeiten. Auch wenn das Subjekt nicht immer klar angegeben ist, wird verstanden, wer oder was gemeint ist.» Als Beispiel dient der Satz: «Watashi wa keeki ga suki desu.» Das bedeutet: Ich mag Kuchen. Im Sprachgebrauch wäre es: «Keeki ga suki desu.» Auch ohne das Subjekt «Watashi», welches für «ich» steht, ist klar, dass die Person über sich selbst spricht.

 

Keigo – Ein Ausdruck der Höflichkeit

Nicht nur Schriftsysteme, sondern auch Distanz und Respekt haben eine wichtige Bedeutung in der japanischen Sprache. Im Deutschen ist es das Siezen, welches als formales Mittel Höflichkeit ausdrücken soll. Im Japanischen ist es komplizierter. Das sogenannte «Keigo», die Höflichkeitssprache, besteht aus drei verschiedenen Kategorien. Welcher Sprache man sich bedient, hängt von der Person ab, mit der man das Gespräch führt. Je nach Art des Keigo ändert sich die Konjugation der Verben. Als eine Basis dient das «Teineigo». Die Schülerinnen und Schüler lernen es anfangs im Japanischkurs. Bei der direkten Ansprache von Respektspersonen kommt «Sonkeigo» zum Zug. Diese Form drückt aus, dass das Gegenüber ranghöher ist. Es kann sich dabei beispielweise um eine Lehrperson handeln. Die dritte Form heisst «Kenjougo». Hat die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner einen höheren Rang, ist es wichtig, in bescheidenem Ton von sich selbst zu sprechen. Laut Chikako Schürch ist Keigo eine wichtige Geschäftsetikette, welche die eigene soziale Stellung offenbart und den gegenseitigen Respekt zum Ausdruck bringt. Japanisch kann aber auch unkompliziert sein. Neben den Lehnwörtern aus dem Englischen gibt es zudem keinen Plural und keine bestimmten oder unbestimmten Artikel.

Zuletzt spielt es keine Rolle, wie einfach oder kompliziert eine Sprache ist. Entscheidend ist vielmehr die Faszination und Liebe für die japanische Sprache, welche Menschen dazu verleitet, sich dieser Herausforderung zu stellen. Das meine zumindest ich, bevor ich mich wieder meinem japanischen Wörterbuch widme.

Chikako Schürch

Aufgewachsen in Japan, zuerst zwei Jahre in Muroran (Hokkaido), dann in Yokohama

2002: Umzug in die Schweiz

2010 – heute: Japanischunterricht an der Migros Klubschule

 

Text: Amélie Oberson

Bild: Unsplash