Im Jahr 2017 gewann Asghar Farhadi den Oscar für die Kategorie «bester internationaler Film». Aufgrund des damalig aktiven Einreiseverbots für Menschen aus muslimischen Ländern in die USA, verordnet durch die Trump Regierung, reist der iranische Regisseur nicht an die Preisverleihung. Der Oscar wird ihm per Post zugeschickt. Was wenn dieser verloren gegangen wäre? Diese Frage stellt Filmmacher Hassan Nazer in Winners. Die Antwort im Film ist eine Ode an die Freude und das Leid des Filmgeschäfts.

 

Die beiden Kinder Yahya und Leyla wohnen in einem Dorf in der Nähe von Teheran. Ihr Leben dreht sich vor allem um ihre Arbeit. Sie sammeln auf der Müllhalde Plastik gegen Geld eines Mannes aus ihrer Nachbarschaft. Obwohl Yahya seine Tage dieser Tätigkeit widmen muss, sieht sein Leben am Abend anders aus. Gegen den Wunsch seiner Mutter verbringt er jede Nacht damit, Filme zu schauen. Er liebt wohl nichts mehr. Als er mit Leyla eines Tages auf dem Nachhauseweg plötzlich auf eine goldene Statue stösst, ist ihm nicht klar, wie nahe er seiner grossen Liebe, dem Film, wirklich ist. Der goldene Mann ist für Yahya und Leyla nichts Weiteres als eine komische Puppe. Sie versuchen zuerst, die Statue an einen Händler zu verkaufen. Dieser will sie jedoch nicht. Die Statue habe keinen Wert und er wisse niemanden, der so etwas haben will. Im vollen Kinosaal in Freiburg flammt nach dieser Aussage Gelächter auf. Und das ist nicht das einzige Mal. Die beiden Kinder baden den Oscar und ziehen ihm ein Barbie-Kleid an, da es sich nicht gehört, dass der goldene Mann nackt ist. Der Film ist durchzogen mit solchen witzigen Begebenheiten, in denen der begehrenswerteste Preis des Filmgeschäfts wie eine beliebige Puppe behandelt wird. Der Kommentar zur Gleichgültigkeit solcher Preise ist offensichtlich.

Dieser Kommentar wird noch prägnanter und vielschichtiger, als sich die einzelnen Aspekte des Films voll entfalten. Durch das Schauen eines Films findet Yahya heraus, dass sein Chef beim Müllsammeln, Naser Khan, ein berühmter Schauspieler ist. Der Film präsentiert hier eine tragische Geschichte über das, was geschieht, wenn der Ruhm der Preise und das Lob der Filmfestivals vorbei ist. Was bleibt, ist nicht zwingend ein glamouröses Leben, wenn man dieses überhaupt wollte, sondern vielmehr grosse Erwartungen, und der damit verbundene Druck, dem man nicht gerecht werden kann. Trotzdem ist der Film nicht aussichtslos, was das Filmgeschäft angeht. Ein Stück Hoffnung bleibt, dass diese Preise doch einen Sinn haben. Als Yahya sich nach Teheran aufmacht , um den Oscar seinem Besitzer zu übergeben, lässt Naser Khan ihn zuerst allein gehen. Doch er ändert seine Meinung, als er seinen eigenen Preis, ein Bär der Berlinale in Berlin, nochmals betrachtet. Er habe den Preis den iranischen Leuten gewidmet, also sollte dieser im Filmmuseum sein. Hier erscheint wohl einer der wichtigsten Aspekte des Films. Regisseur und Drehbuchautor Hassan Nazer feiert durch verschiedene Hommagen und stilistische Mittel die Breite des iranischen Kinos und der Kreativität der iranischen Bevölkerung. Dieser Aspekt des Films wurde im anschliessenden Q&A mit dem Regisseur noch offensichtlicher (siehe weiter unten).

 

Winners spielt nicht nur von den Gewinnern der Filmbranche. Vor allem dreht sich der Film um die Gewinner, die ihren Ruhm eher als Verlust sehen. Was bleibt von Preisen und Film Festivals, wenn sie vorbei sind? Der Film geht mit dieser Frage jedoch nicht mit Aussichtslosigkeit um. Die Hoffnung, die Filme in Menschen auslösen können, sind immer im Vordergrund. Vor allem aber zeigt der Film, dass es nicht einen Gewinner gibt, sondern dass ein Preis viele «Winners» mit sich bringen kann.

 

 

«Cinema is the universal language»

Im Anschluss an den Film, fand am FIFF ein kurzes Q&A mit Regisseur und Drehbuchautor Hassan Nazer statt.

Hassan Nazer wurde im Iran geboren und wuchs in einem Dorf in der Nähe von Teheran auf. Der Film Winners war dementsprechend teilweise autobiografisch. Wie die Kindheit seines Protagonisten war auch Nazers Kindheit durch Armut und die Liebe zum Film geprägt. Schon im Alter von 12 Jahren führte er das erste Mal bei einer Theater-Schulaufführung Regie. Später konnte er an der Kunstuniversität in Arak studieren. Jedoch merkte er bald, dass für ihn im Iran keine Zukunft im Filmgeschäft möglich war. Der Regisseur erzählte davon, wie er in einem Theaterstück an der Universität weibliche Darstellerinnen einsetzte. Daraufhin wurde er von seiner Familie und Freunden dazu überzeugt, ins Ausland zu gehen. Er wäre im Iran auf eine schwarze Liste gekommen und hätte nicht im Filmgeschäft arbeiten können, so Nazer. Er ging nach Schottland. Obwohl seine Filme mehrheitlich durch die Filmförderung in Schottland und sein eigenes, gut laufendes Restaurant finanziert werden, spielen die Filme in seiner Heimat, dem Iran.

«I was in love with cinema», gibt Nazer als Antwort auf die Frage, wie seine eigene Kindheit den Film Winners inspiriert hat. Der Film soll einen genauen Zeitpunkt in seiner Kindheit festhalten. Ausserdem wünscht er sich, dass der Film zeigt, welche  verschiedenen Perspektiven es im Filmgeschäft gibt. Die Unterschiede von westlicher und östlicher Perspektiven im Kino waren für ihn dabei eine Priorität. Aufgrund heutiger politscher Begebenheiten in der Welt meinte Nazer: «This was the time to do it.» Dabei sprach er gleich auch noch die politischen Botschaften im Film an. Er meinte dazu, dass es wichtig sei, solche Botschaften in seinen Filmen zu haben, aber auch nie auf Kreativität verzichtet werden dürfe. Wenn politische Meinungen auf eine kreative Art und Weise verbreitet werden, blieben sie universal. Nazer sagt dazu, dass auf diese Weise ein Film entstehen würde, mit dem sich jedes Publikum identifizieren könne. Und das sei für ihn am wichtigsten. «I made this film for the public», schliesst Nazer.

 

Und dies hat er am FIFF erreicht, denn der Film begeisterte das Publikum. Applaus und Lob füllten nach der Vorführung den Raum. Ein Zeichen dafür, dass Nazer mit seiner Einschätzung wohl richtig liegt. Die Sprache des Films ist universal.

 

Text: Franziska Schwarz

Beitragsbild: FIFF


Winners

Schweizer Premiere am FIFF

Anschliessendes Q&A mit Regisseur Hassan Nazer

 

Land: England

Regie: Hassan Nazer

Jahr: 2022

Dauer: 85 Minuten

FIFF-Kategorie: Internationaler Wettbewerb: Langfilme

 

 

Trailer