Eine Studentin und ein Professor äussern ihre Meinung zur Barrierefreundlichkeit der Universität Freiburg.

Isaline Finger wusste schon als Kind, dass sie Recht studieren will. Mittlerweile studiert sie im fünften Semester im Bachelor an der Universität Freiburg. Isaline benutzt einen Rollstuhl und erzählt von ihrem Alltag an der Universität.

 

Barrierefreiheit

Beschaffenheit, die den Zugang zu etwas ohne Hindernisse ermöglicht und es dadurch für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen ohne fremde Hilfe erreichbar und nutzbar macht.

 

Wie oft bist du an der Universität und in welchen Gebäuden?

Am meisten bin ich in Miséricorde. Einmal pro Woche bin ich in Beauregard und einmal pro Woche in Pérolles. Miséricorde gefällt mir am meisten, weil ich diesen alten Stil sehr schön finde.

 

«Ich finde es etwas überraschend, wie zugänglich die Gebäude in Miséricorde im Gegensatz zu denjenigen in Pérolles sind, weil Pérolles viel moderner ist.»

 

Wie sieht dein Weg zur Universität aus?

Ich könnte zwar mit dem Zug nach Freiburg fahren, aber das ist viel zu aufwendig. Ich müsste nämlich jeden Morgen eine Stunde vor der Abfahrt die SBB anrufen, um Hilfe anzufragen. Wenn ich in Freiburg angekommen wäre, müsste ich den Hügel zur Universität hochfahren und das ist für mich allein mit Rollstuhl schwierig.

Deshalb fährt mich ein Taxi zur Universität und parkt auf einem der drei Parkplätze, die vor der Kapelle sind. Das Taxi wird von der Invalidenversicherung bezahlt. Von da nehme ich den Eingang vor der Jus-Bibliothek. Dort gibt es auch einen Aufzug, mit welchem ich alle Stockwerke erreichen kann. Momentan bin ich dabei, meinen Führerschein zu machen, um selbst zur Universität fahren zu können.

Helfen dir die Lagepläne der Universität?

Am Anfang meines Studiums habe ich sie benutzt. So wusste ich, wo ich hinmusste. Ich habe mir die Wege aber sehr schnell gemerkt. Es hat zwar etwas gedauert, bis ich die Wege gefunden habe, die für mich am praktischsten sind, aber jetzt läuft es ganz gut so für mich. Am Anfang helfen diese Pläne, aber wenn man den Campus kennt, braucht man sie eigentlich nicht mehr.

In welcher Bibliothek bist du am meisten?

Ich bin nicht sehr oft in der juristischen Bibliothek, weil sie weniger zugänglich ist. Es gibt dort eine Maschine, die ich benutzen kann, um die Treppe runterzukommen, aber diese ist langsam. Wenn ich zum Beispiel auf die Toilette gehe, dauert es 20 Minuten, um mit der Maschine hoch- und wieder runterzufahren.

Deswegen gehe ich oft in die Bibliothek für Geschichte und Theologie. Dort habe ich auch einen Platz ohne Stuhl, der für mich reserviert ist. Für mich ist es einfacher, dort hinzukommen. Das einzige Problem hierbei ist, dass ich in dieser Bibliothek nicht die juristischen Bücher habe. In der Bibliothek für Recht stehen die Bücher meistens zu hoch. Deshalb kaufe ich alle Bücher selbst. Bisher funktioniert das auch ganz gut für mich. Das kann aber schnell teuer werden. Ich kaufe daher einige Bücher von Studierenden, die diese nicht mehr brauchen.

Gehst du in die Cafeteria?

In die Cafeteria gehe ich nicht sehr oft, weil meine Freunde und ich unser Mittagessen selbst mitnehmen. Ich war zweimal in der Cafeteria und die Leute dort sind auch sehr offen. Sie haben mir auch angeboten, mein Essen zu meinem Platz zu bringen. Das war sehr freundlich.

Gibt es Stellen, die dir Schwierigkeiten bereiten?

Das grösste Problem sind die Toiletten in Pérolles! Meistens gibt es nicht genug Platz und die Gänge sind nicht gut konstruiert. Immerhin gibt es in Pérolles nun einige Bauarbeiten, um das zu verbessern. In Beauregard sind die Türen in den Gebäuden sehr schwer und daher schwierig zu öffnen.

Was findest du gut an den Universitätsgebäuden?

Es gibt viele Aufzüge und in Pérolles sind diese schön gross. Das ist sehr praktisch. Miséricorde ist sehr zugänglich, weil die Rampen nicht zu steil sind und ich überall gut hinkomme. Professor Previtali, der auch einen Rollstuhl benutzt, hat sich sehr dafür eingesetzt, die Universitätsgebäude barrierefrei zu machen.

Was könnte man deiner Meinung nach verbessern?

Natürlich können Gebäude nie perfekt barrierefrei sein. Ich glaube aber, dass es bereits hilft, wenn die Leute offen und hilfsbereit sind, um sich Probleme oder Fragen anzuhören. So kann nämlich gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Die Mitarbeiter:innen der Universität Freiburg sind sehr kompetent und offen für das Thema Barrierefreiheit. Darüber bin ich sehr froh, denn das ist nicht überall so. Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht, beispielsweise waren die Gebäude von meiner Primarschule oder meinem Gymnasium schwer zugänglich. Da war es viel komplizierter als hier an der Universität. Das ist aber nur meine Erfahrung. Mit dem Studium direkt habe ich also kein Problem.

 

«Ich habe nur eine physische Behinderung. Es gibt auch Studierende mit Autismus oder einer Sehbehinderung, die es vermutlich schwerer haben als ich.»

 

Ich denke auch, dass es eine Frage des Geldes ist. Die Universität hat, glaube ich, ein Budget, das vollkommen ausreicht, um die Gebäude rollstuhlgerecht zu machen.

Hast du Ansprechpersonen, falls du mit dem Zugang zur Universität Schwierigkeiten hast?

Ja, ich habe einige Ansprechpersonen, wenn ich Probleme habe. Einerseits gibt es die Hausmeister, an welche ich mich wenden kann, wenn beispielsweise ein Aufzug kaputt ist. Sie helfen mir gerne weiter. Nathalie Lambert, Co-Leiterin der Dienststelle Gleichstellung, Diversität und Inklusion, hat mir zum Beispiel im ersten Semester sehr geholfen, weil alles noch sehr neu für mich war. Ich finde, sie ist sehr kompetent und hat mir geholfen, einige Probleme zu lösen. Bei Fragen kann man sich also immer an sie wenden.

Bekommst du auch von den Professor:innen Hilfe?

Ja, die Professor:innen sind alle sehr hilfsbereit und offen. Wenn ich zum Beispiel im Auditorium B eine Vorlesung habe, kann ich nur vom Balkon aus teilnehmen. Das heisst, wenn ich am Ende der Vorlesung eine Frage habe, kann ich nicht direkt zu den Professor:innen kommen. Das ist eines meiner Probleme, die ich habe. Aber ich kann den Professor:innen meine Fragen immer per E-Mail stellen. Manchmal schicke ich meine Freunde, damit sie für mich die Frage stellen gehen. Manchmal kommen auch die Professor:innen schnell die Treppe hoch, damit ich ihnen meine Fragen stellen kann. Das ist also kein grosses Problem. Aber nicht nur die Professor:innen helfen mir. Es gibt auch einige Studierende und Freunde, die mir gerne helfen, wenn ich sie darum bitte. Professor Previtali beispielsweise beantwortet gerne meine Fragen per E-Mail und ist immer sehr freundlich.

Isaline Finger

 

Professor Adriano Previtali war schon Anfang der 90er Jahre als Student an der Universität Freiburg und unterrichtet nun seit Anfang 2000 Bundesstaats- und Sozialversicherungsrecht. Auch er benutzt einen Rollstuhl. Er erzählt im Interview mit Spectrum, was er über die Barrierefreundlichkeit der Universität Freiburg denkt. Herr Previtali empfindet die Mitarbeiter:innen an der Universität Freiburg als hilfsbereit und sensibilisiert für Personen mit Gehbehinderung. Seine Vorlesungen hält er meistens in Miséricorde. Er meint, dass sich seit seiner Zeit als Student schon vieles verbessert hat.

 

«In den 90er Jahren war die Situation für Personen im Rollstuhl katastrophal! Das hat sich nun aber, vor allem im Miséricorde, verbessert.»

 

Herr Previtali erklärt, dass in den 90er Jahren einige Vorlesungssäle nicht erreichbar und die Toiletten schlecht konzipiert waren. «Heute müssten Leute im Rollstuhl eventuell noch einige kleine Umwege machen, um zu den Räumlichkeiten zu kommen, aber die interne Mobilität ist grundsätzlich sehr gut, da man überall hinkommt», sagt er.

Herr Previtali sieht jedoch noch weitere Probleme. «Da die Rechtsfakultät an den drei Standorten Miséricorde, Pérolles und Beauregard verteilt ist, kann es für Studierende sehr mühsam sein, vom einen zum anderen Standort zu gelangen. Für Professor:innen mag dies kein Problem sein, doch für die Studierenden kann das Hin und Her zwischen den drei Campus schon mal stressig werden», erklärt Professor Previtali. Onlinevorlesungen seien zwar möglich, doch das sei nicht inklusiv für die Studierenden. Soziale Kontakte seien ebenfalls wichtig. Würden Studierende, welche einen Rollstuhl benutzen, nur Online-Vorlesungen haben, hätten sie nicht die gleichen Rechte wie ihre Mitstudierenden.

 

«Wir müssen alle die gleichen Rechte haben!»

 

Um die gleichen Rechte für Studierende und Mitarbeitende der Universität Freiburg, in Bezug auf Barrierefreundlichkeit, zu gewährleisten, wurde bereits ein Bauprojekt in die Wege geleitet.

Schon seit einigen Jahren gibt es das Projekt, die Rechtswissenschaftliche Fakultät in einem einzigen Gebäude unterzubringen. Geplant ist, das Gebäude beim Thierryturm zu bauen. «Die Bauarbeiten werden wahrscheinlich 2026 oder 2027 beginnen können und das neue Gebäude per 2030 fertig sein», sagt Professor Previtali. Doch ein neues Gebäude wird nicht alle Probleme, welche an der Universität Freiburg bestehen, lösen können. Professor Previtali macht deutlich klar, dass nicht nur die Barrierefreundlichkeit der Universität verbessert werden muss.

 

«Ich sehe aber noch Verbesserungspotenzial für die psychischen Behinderungen und die Suizidprävention.»

 

Herr Previtali erklärt: «Es gibt die Möglichkeit für soziale Hilfe an der Universität Freiburg, aber diese könnte noch mehr finanziert werden. Weiterbildungen oder Workshops für die Dozierenden könnten ebenfalls nützlich sein, da sie somit die Signale psychischer Belastung rechtzeitig erkennen und gemeinsam mit den Studierenden Lösungen für die Probleme finden könnten. Aber zuerst müssen sie die Probleme und Schwierigkeiten erkennen können. Erst danach kann rechtzeitig geholfen werden. Die Frage lautet also, was wir tun können. Wir sind keine Fachleute in diesem Gebiet, deswegen wäre es gut, wenigstens eine kleine Ausbildung dafür zu erhalten.»

Herr Previtali betont, dass es den Dialog zur Barrierefreundlichkeit seit den 2000er Jahren gebe. Das Behindertengleichstellungsgesetz, welches 2004 in Kraft getreten ist, habe ebenfalls dazu beigetragen, die Universität Freiburg für dieses Thema zu sensibilisieren.

 

Behindertengleichstellungsgesetz

Das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (BehiG) hat zum Zweck, im Sinne von Art. 8 Abs. 4 BV Benachteiligungen zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind.

Text Aliyah-Sophie Manzke

Foto Isaline Finger