Seit rund zehn Jahren ist die Schweizer Kulturszene um eine Erscheinung reicher. Das Phänomen Poetry-Slam hat sich weit etabliert und ist mittlerweile nicht mehr nur in verrauchten Kellerbars sondern in schicken Theaterhäusern zu Hause. Diese Literaturbewegung versucht die Gratwanderung um neue Kreise für diese Kunstform zu gewinnen und trotzdem den subkulturellen Charakter nicht zu verlieren.
2003 war es so weit. Die ersten Schweizermeisterschaften des Poetry-Slams wurden in Bern aus der Taufe gehoben. Auch ein Reporterteam des Schweizer Fernsehens war damals vor Ort und dieses musste den Zuschauern dann erst einmal erklären, was sich hinter diesem unvertraut klingenden Begriff verbirgt.
Just zehn Jahre später, im Oktober des Jahres 2013 fand sich die Schweizer Poetry-Slam Elite wieder in Bern zusammen. Die Anzahl der Poeten, die um einen Platz an den Schweizermeisterschaften kämpften, hat sich vervielfacht. Leute strömten in Scharen in die Berner Turnhalle um dem Kampf der Texte zu lauschen. Die Spannung war gross und die Stimmung überwältigend, als Hazel Brugger (im Bild) ihren wohlverdienten Sieg mit der obligaten Flasche Whiskey feierte.
Es kommt nicht von ungefähr
Poetry-Slam bleibt ungebrochen populär und die Poeten werden als regelrechte Stars gefeiert. Lara Stoll sorgt momentan mit ihrem ungewöhnlichem Satireformat im Schweizer Sportfernsehen für Furore, Gabriel Vetter ist alle zwei Wochen als Moderator von „Vetters Töne“ beim Radio SRF zu hören und Renato Kaiser hat vor kurzem sein neustes, vieldiskutiertes Buch veröffentlicht. Ihre Namen sind derart geläufig und die Gesichter dahinter sind so oft in den Zeitungen, als dass man meinen könnte, Poetry-Slam gehöre ebenso zur Schweizer Gesellschaft, wie Jodeln, Schwingen und Skifahren.
Slam Events machen vor keiner Stadt halt. Auch die Stadt Fribourg hat seit einigen Jahren seinen eigenen Dichterwettstreit. Im Centre Fries ist er fester Bestandteil des Programms. Das ist dann auch nicht weiter verwunderlich. Renato Kaiser, eines der Urgesteine des Schweizer Slams, lebt hier.
Die Wiege in der Ostschweiz?
Besonders früh hatte St. Gallen seinen ersten Slam. In der Grabenhalle finden heutzutage mehr Slams denn je statt und Poeten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum buhlen dann jeweils um die Gunst des Ostschweizer Publikums. In der Gallusstadt fanden dann bald auch die ersten Schweizer Slams in der Kategorie U20 statt und die einzige Künstleragentur für Slampoeten ist hier beheimatet.
Slam International
Was im Fussball die Champions League ist, sind im Slam die deutschsprachigen Meisterschaften. Jene fanden dieses Jahres in Bielefeld statt. Die Meisterschaften in Hamburg stattfanden, versuchte man, den Poetry-Slam auf eine Bühne zu hieven, auf die er eigentlich nicht gehört. Für das Finale wurde die gesamte o2-Arena gemietet. Doch die Poeten wirkten inmitten dieses riesigen Stadions beinahe etwas einsam und sie waren für das Publikum so unnahbar, das man auf ebensolchen Grössenwahnsinn in Zukunft verzichtete, und sich wieder auf den Grundgedanken des Slams besann.
Lyrik für Alle
Vor bald dreissig Jahren nahm alles seinen Lauf. Marc Kelly Smith organisierte in Chicago den ersten Poetry-Slam. Smith, ein einfacher Bauarbeiter, hat eine Welle losgetreten, die sich auf der ganzen Welt ausbreitete. Es sind Texte, die nicht zwischen zwei Buchdeckel passen, sondern auf die Bühne gehören. Die Literatur, der oft etwas Starres und Sprödes anlastete, konnte sich von ihren Fessel befreien und entfaltete sich in ungewohnter Lebendigkeit.
Hip wie noch nie
Die vielen Leute, die sich kürzlich am legendären Slam Basel im Vorverkauf noch keine Tickets gesichert hatten und sich an der Abendkasse eines der letzten Billette zu erstehen versuchten, beweisen es. Poetry-Slam ist so hip wie noch nie – und der Slam im Centre Fries wird wohl bei reichlich versammeltem Publikum noch unzählige Male über die Bühne gehen.
Text und Foto von Elia Kaufmann