Eine Filmkritik von Olivier Goetschi.
Mit der Entkriminalisierung von Homosexualität im Jahre 1942 nahm die Schweiz eine Vorreiterrolle in Europa ein. Schwul oder lesbisch zu sein, war ab sofort gesetzlich nicht mehr verboten. In der Bevölkerung akzeptiert war es aber noch lange nicht. Homosexualität wurde im Geheimen ausgelebt. An Gleichberechtigung war nicht zu denken.
In Zürich bildete sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine kleine Schwulenorganisation, die im Milieu schnell Bekanntheit erlangte. Diese international wahrgenommene Organisation, die ab 1943 auch eine Zeitschrift herausgab, nannte sich „Der Kreis“. Im gleichnamigen neuen Schweizer Film erzählt Regisseur Stefan Haupt („How about Love“) die Geschichte zweier damaliger Kreis-Mitglieder. Der junge, schüchterne Gymnasiallehrer Ernst Ostertag lernte an einem der traditionellen Kreis-Bälle den Travestie-Star Röbi Rapp kennen – und verliebt sich unsterblich in ihn. Es entstand eine Liebesgeschichte, die trotz liberaler Gesetzgebung nicht frei gelebt werden konnte. So erging es vielen Schwulen zu dieser Zeit. Nicht wenige von ihnen hatten zur Tarnung Frau und Kinder. Die sexuellen Wünsche mussten im Versteckten befriedigt werden. Morde im Schwulenmilieu und polizeiliche Schikanen erschwerten das ohnehin schon schwierige Leben. Rapp und Ostertag trotzten allen Widrigkeiten und waren im Jahre 2004, nach fast einem halben Jahrhundert Beziehung, das erste schwule Paar in der Schweiz, das sich trauen liess.
Der Film blickt mit den beiden Protagonisten von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, in der die Mutter aller Homosexuellenorganisation ihre Blütezeit erlebte. Liberalere Gesetze in ganz Europa führten in den Sechzigerjahren zum Niedergang der Organisation. Doch die geleistete Pionierarbeit, insbesondere mit der in drei Sprachen publizierten Zeitschrift, konnte man dem „Kreis“ nicht mehr nehmen.
Die Mischung aus Interviews von Zeitzeugen und schauspielerischer Umsetzung der Geschichte eignet sich äusserst gut zur Darstellung der vergangenen Zeit. Der Film liefert ein ungeschmücktes Bild der damaligen Zustände. Wie Ostertag heute in Erinnerung schwelgend sagt: „Dass Schwule einmal heiraten können, das konnte man sich vor fünfzig Jahren nicht einmal im Traum vorstellen.“
Der Trailer zum Film: