„Was ist Kunst?“, das wird in vielen brauchbaren und unbrauchbaren Definitionen erläutert. Wo aber der eigentliche Ursprung der Kunst liegt, geht dabei meist unter. Ich (eine kunsthistorische Dilletantin) habe mich deshalb auf die Suche nach dem Urknall der Kunst gemacht. Und zwar nicht in Bibliotheken, sondern bequem im Internet.
Text: Simone Frey, Illustration: Salome Eggler
Die Wortkombination „Herkunft + Kunst“ ergibt auf Google etwa zwei Millionen Treffer. An vierter Stelle liegt die Worterklärung aus dem Duden. Unter Herkunft steht da ganz trocken:
mittelhochdeutsch, althochdeutsch Kunst, ursprünglich = Wissen(schaft), auch: Fertigkeit, zu können.
Ein paar Klicks weiter stosse ich auf das mittelhochdeutsche Wort „kunnan“ von dem sich das heutige Wort Kunst ableitet. Mittelhochdeutsch wurde zwischen 1050 und 1350 gesprochen (gemäss Wikipedia). Ich muss nicht Kunstgeschichte studiert haben, um zu wissen, dass Kunst bereits länger als knapp tausend Jahre existiert. Also tauche ich weiter in die Sphären des weltweiten Webs ab.
Der Link zur Antwort
Wer hört schon nicht gerne Radio oder schaut einen Film bei der Recherche? Diese Bequemlichkeit führt mich schliesslich zur Sendung „Die Wiege der Kunst“, die diesen Sommer ausgestrahlt wurde. Die Sendung hat mir en masse Fakten geliefert.
Die Schwäbische Alb (Google Map: südlich von Stuttgart) ist gewissermassen die Geburtsstätte der Kunst. Vor rund 40’000 Jahren erfanden eiszeitliche Jäger und Sammler dort die Kunst. Kunst wurde erfunden? Scheinbar ja. Denn die Kunst tauchte plötzlich auf. Erst dachte man, die Entstehung wäre ein evolutionärer Prozess gewesen. Man ging von Genmutationen aus, die aus Eiszeitmenschen kleine Giacomettis machten. Doch heute ist dies widerlegt. Anscheinend aus dem Nichts wurden perfekte Kunstwerke gefertigt. Dieses plötzliche Aufkommen hatte eine wichtige Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit. Es zeigt, dass die Eiszeitmenschen vor 40’000 Jahren genauso weit entwickelt waren, wie wir es heute sind. Durch Fantasie und Vorstellungsvermögen grenzte sich der Mensch erstmals deutlich von Tieren ab. Im Podcast wird sogar gesagt, dass man beispielsweise nicht zwischen der kognitiven Fähigkeit eines heutigen Kindes und dem eines eiszeitlichen Kindes unterscheiden könne. Dumm waren die Eiszeitmenschen, die nach Europa zogen und dabei noch auf Neandertaler stiessen, nicht. Die Künstler haben damals so perfekt gearbeitet, wie dies auch heutige Künstler tun, und stehen ihnen in nichts nach.
Mammutelfenbein und Gänsegeierknochen
In der Höhle „Hohler Fels“ auf der Schwäbischen Alb wurde 1931 ein bemerkenswerter Fund gemacht. Dabei handelt es sich um die ältesten figürlichen Darstellungen von Tieren, Menschen und Mischformen, wie beispielsweise einem Mann mit einem Löwenkopf. Heraus sticht die Skulptur einer aus Mammutelfenbein geschnitzten Frau (sogenannte „Venus vom Hohlefels“). Sie ist das erste Abbild einer Frau und eines Menschen überhaupt. In der Karsteinhöhle fand man auch die ersten Musikinstrumente überhaupt: Flöten aus den Knochen von Gänsegeiern. Auch an anderen Stätten wurde eiszeitliche Kunst gefunden, doch nirgends ist sie älter als die der Schwäbischen Alb.