Fabienne Widmer studiert Geschichte und Englisch. Neben dem Studium arbeitet sie sechzig Prozent im Kanton Zürich für die Sozialdemokratische Partei (SP). Als Campaignerin für das Wahljahr 2015 spricht sie mit vielen Leuten und kommt so manchmal an ihre Geduldsgrenze.

Von Simone Frey

Fabienne, was muss man sich unter einer „Campaignerin“ vorstellen?

Im Moment spreche ich mit vielen Mitgliedern der SP, um ihnen die Kampagne für die Kantonsratswahlen im April vorzustellen. Ich bin zuständig für die drei Wahlkreise Meilen, Hinwil sowie Kreis 7 und 8 der Stadt Zürich.

In erster Linie muss ich SP-Mitglieder überzeugen. Ich treffe sie persönlich, weil ich mich und unsere Kampagne so viel besser erklären kann als am Telefon. Dafür reise ich viel in den Bezirken herum und stelle die Kampagne an sogenannten Espresso-Events vor. Ab März wollen wir dann mit den Wählerinnen und Wählern selbst sprechen. Dann werde ich möglichst viele Stimmberechtigte anrufen. Die meisten von ihnen standen schon in Verbindung mit der SP, doch Ziel ist es, eine möglichst breite Bevölkerung anzusprechen.

Wie viele Espressi musst du dafür trinken?

Der Kanton Zürich hat rund 4800 SP Mitglieder, wovon 780 in einer Sektion sind. Davon spreche ich mit vierzig. Manche treffe ich aber auch ein zweites Mal, um mehr Infos auszutauschen und den Kontakt zu stärken.

Was reizt dich an diesem Job?

Ich finde ihn extrem abwechslungsreich. Nicht nur für mich, sondern auch für die SP ist es etwas Neues, was man zuvor noch nie so gemacht hat. Andere Parteien arbeiten nicht im selben Ausmass an ihrer Kampagne wie wir. Es macht Spass, da mit dabei zu sein. Zudem arbeite ich sehr selbständig und habe ein junges Team um mich.

Wie stark zählt deine eigene politische Meinung?

Ich muss natürlich hinter den Prinzipien der SP stehen können. Wenn ich mit den Leuten spreche, wird es früher oder später politisch. Dann ist es wichtig, ein breites Wissen über die verschiedenen Bereiche der SP zu haben. Der gemeinsame Nenner, den ich mit den Leuten habe, ist die SP. Ein Gespräch ist kaum möglich, wenn wir uns in gewissen Dingen nicht einig sind.

Braucht es Überwindung, um dich mit wildfremden Menschen zu treffen?

Glücklicherweise telefoniere ich zuerst mit allen und mache so ein Treffen aus. Dadurch habe ich bereits einen ersten Kontakt hergestellt. Ein Gespräch dauert jeweils etwa eine Stunde. Mit gewissen Menschen bin ich von Beginn weg auf derselben Wellenlänge und die Stunde vergeht schnell. Bei anderen ist es schwieriger, das Eis zu brechen.

Gibt es einen Trick, um das Eis zu brechen?

Ich erzähle immer zuerst von mir selbst. Was mich motiviert, dabei zu sein, und was meine Meinung zur Kampagne ist. Daraus entsteht dann meistens ein gutes Gespräch. Ziel ist es ja auch, einfach das Gegenüber kennenzulernen und einen Kontakt herzustellen.

Welche Gespräche sind dir bisher in Erinnerung geblieben?

Einmal traf ich einen jungen Mann. Und nein, geflirtet habe ich nicht (lacht). Er war sehr kommunikativ und aufgeschlossen, sodass ich nach einer halben Stunde bereits mit meinem Teil durch war und wir uns noch etwas über die Partei austauschen konnten. Das schlimmste ist, glaube ich, wenn die Menschen nicht mit dir reden wollen. Dann fällt es schwer, ihnen alles aus der Nase zu ziehen, und ich muss meine Geduld auf die Probe stellen.

Siehst du dich in Zukunft auch als Politikerin, vielleicht sogar als Bundesrätin?

Klar, mit meinem Studium bleibt mir nichts anderes übrig (lacht). Nein, im Ernst. Ich begann, mich für Politik zu interessieren, weil ich dachte, dass ich so etwas verändern kann. Leider musste ich feststellen, dass man die Welt nicht auf einen Schlag in eine andere Richtung lenken kann. Dennoch ist es mir wichtig, mich einzusetzen. Kleine Schritte helfen zumindest weiter als überhaupt keine Schritte.