Wusstest du, dass eine berühmte Schweizer Schriftstellerin einst an der Universität Freiburg studiert hat? Ich nicht. Die Suche nach Informationen führt mich an eine Bilderausstellung in Herzogenbuchsee.
Als ich den Raum voller Bilder betrete, sind noch nicht viele Leute anwesend. Nach und nach aber füllt sich der freundliche, in weiss gehaltene Schauplatz. Das Publikum, welches sich zu einem grossen Teil aus Personen zusammensetzt, die die Künstlerinnen und Künstler der ausgestellten Werke kennen oder kannten, unterhält sich angeregt. Die aufgehängten Bilder sind alle erwerbbar; hier und dort werden sicherlich bereits die ersten Käufe abgeschlossen – im Geiste natürlich. Es handelt sich um eine Bilderausstellung, welche Werke von Cuno Amiet, Bruno Hesse (ein Sohn des grossen Hermann Hesse) und Eveline Hasler beinhaltet. Eveline Hasler? Ist das nicht die Schriftstellerin? In der Tat, das ist sie. Was ich bis heute auch nicht wusste: Die Schriftstellerin, welche an der Uni Freiburg einst Geschichte und Psychologie studierte, malt auch. Als ob das nicht schon genug wäre, schreibt sie ebenfalls Gedichte. Bekannt geworden ist sie jedoch vor allem mit historischen Romanen, wie dem Buch „Anna Göldin“. Es erzählt die Geschichte der letzten Frau in Europa, die der Hexerei beschuldigt und dafür hingerichtet worden war. „Das letzte Schiff“, ein Bericht über den amerikanischen Schindler Varian Fry und der Rettung von über zweitausend Menschen vor den Nazis rückt hingegen bis in die jüngste Vergangenheit vor. Ihre Bücher wurden bisher in zwölf Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Inspirierende Geschichtsvorlesungen
Als Eveline Hasler Mitte der Fünfzigerjahre an die Universität Freiburg kam, war das Studium verständlicherweise noch ganz anders als heute. Wo heute die Frauen dominieren, sah es damals umgekehrt aus: Es gab viel weniger Studierende und noch weniger Frauen. Die Universität bestand damals aus grossen, luftigen, hohen Räumen, mit einer Menge Platz zum Denken. Den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, hegte die gebürtige Glarnerin schon seit jungen Jahren. Bis sie jedoch anfing an der Universität Freiburg zu studieren, war sie felsenfest davon überzeugt, dass ihr nichts Historisches in ihre Bücher käme. In den Vorlesungen bei Professor Oskar Vasella änderte sie jedoch ihre Meinung. Seine Art zu erzählen und Sachverhalte darzustellen, unterschied sich vom häufig sehr zahlenlastigen Geschichtsunterricht. Er erweckte Geschichte buchstäblich zum Leben, tauchte in seiner Sprache in vergangene Zeiten ein und liess Ereignisse so lebendig wirken, als hätten sie sich gerade erst gestern zugetragen.
Detailarbeit
So leicht sich ihre Romane auch lesen, Eveline Hasler macht es sich ganz und gar nicht leicht, wenn sie ein neues Projekt anpackt. Für jedes ihrer Bücher braucht sie etwa drei Jahre, in denen sie hauptsächlich in Archiven recherchiert. Man merkt ihr den Respekt an, den sie den historischen Personen entgegenbringt: „Ich getraue mich einfach nicht, irgendetwas an der Biographie einer Person zu verändern“, sagt sie und zuckt mit den Schultern im Sinne von: Da kann man nichts ändern. Doch die Sorgfalt zahlt sich aus: Die realitätsnahen Dialoge lassen auf die tatsächlichen Sorgen und Probleme der damaligen Personen schliessen. Geschickt verknüpft sie interessante Lebensgeschichten mit realen historischen Ereignissen, was zu einem wunderbaren Endprodukt führt. Es macht Spass, ihre Bücher zu lesen. Ganz unbewusst bekommt man so Geschichtsunterricht.
Ein Lieblingsbuch von sich selbst habe sie nicht, erklärt Hasler. Das sei, als müsse man sich entscheiden, welches seiner Kinder man bevorzuge. Schliesslich stecke in jedem der Bücher eine Menge Herzblut. Ihr zentrales Anliegen sei es, die Vergangenheit aufleben zu lassen. Wir könnten viel von unseren Ahnen lernen, um in Gegenwart und Zukunft zu bestehen. Oder um es in ihren eigenen Worten zu präzisieren:
„Geschichte ist nichts als Leben. Wir meinen, Geschichte sei vergangen, doch in uns lebt sie weiter.“
Mit einem Lachen verabschiedet sich die Schriftstellerin, welche eine natürliche Vitalität umgibt. Sie scheint sich ihre jugendliche Frische stets erhalten zu haben, im Körper sowie im Geist. Bescheiden und bodenständig ist sie, und gleichzeitig wachsam, jeden Augenblick die Sinne offen haltend für die grossen und kleinen Dinge der Welt.
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