Immer mehr Studierende nehmen psychologische Hilfe in Anspruch und das Stresslevel steigt. So auch
in Freiburg. Die Psychologische Studierendenberatung stellt dies vor Finanzierungsprobleme.
Stress vor Prüfungen oder Abgabeterminen sind den wenigsten Studierenden unbekannt. Doch was, wenn er Überhand gewinnt und uns beherrscht? Die psychologische Studierendenberatung ist eine Anlaufstelle, die in solchen Situationen Hilfe bietet. Der Psychologe Jean Ducotterd, der seit langer Zeit bei der Psychologischen Studierendenberatung arbeitet, beobachtet immer wieder verschiedene Wellen von Anliegen. Im letzten Semester habe es beispielsweise viele Fälle im Zusammenhang mit Essstörungen, Coming- outs oder Suchtverhalten gegeben. Dauerthemen seien Ängste, Zwänge, Phobien oder Depressionen. Im Bezug auf das Studium geht es meist um Versagens- oder Prüfungsangst – manche sind im Gymnasium gerade noch durchgekommen, verlieren aber an der Universität den Anschluss, da sie ohne Strategie ans Lernen gehen. Zudem nehmen aussergewöhnlich viele Studierende über dreissig Jahren den Dienst in Anspruch, da sie mit spezifischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben: Manchmal ist der finanzielle Druck mit einer Familie im Hintergrund sehr gross und die langfristige Integration unter den meist viel jüngeren Mitstudierenden kann sich schwierig gestalten.
Anstieg der Konsultationen
Seit dem Jahr 2000 ist die Anzahl der an der Universität Freiburg immatrikulierten Studierenden stark gestiegen. Dieser Anstieg wirkte sich auch auf die psychologische Studierendenberatung aus: Die Nachfrage nach Konsultationen stieg allein im letzten Jahr um fünfzig Prozent. Vor fünf Jahren führte die Universitätsleitung im Hinblick auf eine nachhaltige Finanzierung des Dienstes pro Sitzung eine Gebühr von zwanzig Franken ein. Beim psychologischen Dienst ist man damit zwar nicht vollumfänglich zufrieden, doch gäbe es auch Vorteile, sagt Jean Ducotterd. Die erste Konsultation sei noch immer kostenlos und die weiteren Sitzungen würden ernster genommen, wenn dafür bezahlt werden muss. An anderen Universitäten wird der Dienst zwar gratis angeboten (zum Beispiel in Bern, Zürich oder Lausanne), doch könne man dort viel weniger Sitzungen beanspruchen. Der Anstieg der Konsultationen hängt aber nicht nur mit der höheren Anzahl Studierenden zusammen. Allein im letzten Jahr haben sich die Konsultationen verdoppelt. Dieser markante Trend kann auch an anderen europäischen Universitäten beobachtet werden. Die Gründe dafür sind noch nicht abschliessend geklärt. Jean Ducotterd sieht eine mögliche Erklärung darin, dass heute viele Personen psychologische Hilfe schon präventiv in Anspruch nehmen. Wer Hilfe sucht, gilt nicht mehr grundsätzlich als schwach. Trotzdem kommen heute noch immer zwei Studentinnen auf einen Studenten. Dafür sind laut Jean Ducotterd gesellschaftliche Gründe verantwortlich: Bei Frauen ist es gesellschaftlich akzeptierter als bei Männern, Ängste zu haben oder Emotionen offen zu zeigen.
Finanzielle Probleme
Der grosse Anstieg der Konsultationen hat die Universität vor Finanzierungsprobleme des Dienstes gestellt. Trotz der Einführung der Gebühren vor fünf Jahren und der Erhöhung der Studiengebühren im Jahr 2018 blieben die finanziellen Probleme weiterhin bestehen. Das Rektorat hat sich deshalb nach neuen Möglichkeiten umgeschaut und hat die AGEF um finanzielle Unterstützung für den psychologischen Beratungsdienst gebeten, dies zeigt ein Protokoll der Studierendenratssitzung der AGEF im Dezember. Die AGEF hat dies aus mehreren Gründen abgelehnt, wie ein Brief an das Rektorat zeigt. Auf Anfrage von Spectrum bestätigt das Rektorat, dass die Finanzierung des Dienstes unter anderem aus dem Budget der Universität gespiesen wird und dass zurzeit nach nachhaltigen Lösungen der Finanzierung gesucht wird. Denn auch in diesem Jahr ist mit einem Anstieg der Konsultationen zu rechnen. Das Ziel des Rektorats sei es aber, weder das Angebot zu reduzieren noch die Gebühren zu erhöhen. Während die Finanzierung des Dienstes im nächsten Jahr weiterhin unklar bleibt, haben die Berater und Beraterinnen schon wieder alle Hände voll zu tun. Obwohl sie laut Jean Ducotterd auf die Themen Lernen und Stress spezialisiert sind, seien sie damit auch am längsten beschäftigt. Denn dass Studierende ihr Lernverhalten tatsächlich ändern, sei ein langer und schwieriger Prozess.