Fasnächtler in der ganzen Schweiz bereiten sich mit Vorfreude auf die Narrenzeit vor. Ich bereite mich darauf vor, die Fasnacht zu überstehen.
Es ist 5:00 Uhr am Schmutzigen Donnerstag in der fasnachtsbegeisterten Luzerner Altstadt. Von allen Seiten der Stadt erklingt Guggenmusik und mit dem Urknall eröffnet der «Fritschivater» die Fasnacht. Für die nächste Woche gehört die Stadt nicht den Luzerner*innen oder den zahlreichen Tourist*innen, sondern den tausenden von Fasnächtler*innen, die mehr oder weniger eine Woche durchfeiern. So sieht es auch in vielen anderen Schweizer Städten in der Zeit zwischen dem Schmutzigen Donnerstag und Aschermittwoch aus. Die Fasnacht gilt für einige als genauso schweizerisch wie Schokolade oder Käsefondue. Auch Freiburg feiert die Fasnacht. Die traditionelle Bolzenfasnacht (oder «Carnaval des Bolzes») in der Unterstadt wird zwischen 26. Februar und 1. März stattfinden.
Ich selbst bin keine Fasnächtlerin, überhaupt nicht. Doch als Luzernerin mit einer Mutter aus Basel konnte ich die Fasnacht noch nie umgehen. Die sogenannte fünfte Jahreszeit in der Schweiz zu ignorieren ist kaum möglich. Sobald man in einer Fasnachtsstadt wohnt, muss man das eigene Leben eine Woche lang rund um die Fasnacht umstrukturieren.
Die katholischen Wurzeln
Die Umzüge, Orangenschlachten und Guggenmusik sind fester Bestandteil der Winterzeit, und dies nicht ohne Grund. Der Ursprung der Fasnachtstradition ist für viele Partybegeisterte, die an die Fasnacht gehen, nicht wirklich von Bedeutung. Die Fasnacht hat ihren Ursprung in der katholischen Kirche. Dies erklärt auch, wieso sie in katholischen Kantonen grösser und älter ist als in reformierten Kantonen. Der Zeitpunkt der Fasnacht ist abhängig von Ostern im katholischen Kalender. Diese zwei Feste liegen immer gleich weit auseinander. Zwischen Aschermittwoch und Grünen Donnerstag vergehen immer vierzig Tage. Diese Zeit kennen wir auch als Fastenzeit. Wenn man die Tage zählt sind es aber mehr als vierzig. Da die Sonntage laut katholischer Kirche aber nicht zur Fastenzeit zählen, geht es mit der Anzahl Tagen wieder auf. Die Fasnacht ist demnach die letzte Zeit vor Ostern, in der ausgelassen gefeiert werden kann.
Wenn ich zurück an meine Fasnachtserlebnisse der jüngeren Vergangenheit denke, glaube ich nicht, dass die Fasnacht die letzte Party bis Ostern für die meisten Menschen war, die ich in der Luzerner Altstadt sah. Trotzdem ist die Verbindung der Fasnacht, der Fastenzeit und Ostern der eigentliche Ursprung für die Feste in den Strassen. Das ausgelassene Feiern vor der Fastenzeit hatte in der Vergangenheit auch einen rein praktischen Aspekt. Vor der Fastenzeit mussten die Vorräte aufgebraucht werden. Auch die Fasnachtschüechli, die wir in Migros und Coop kaufen können, sind auf diesen Vorratsverbrauch zurück zu führen. Gerade süsse Speisen mussten aufgebraucht werden, damit sie nicht über die Fastenzeit verdarben. Vielleicht ist dies der Grund wieso Fasnachtschüechli sofort in die Läden kommen, sobald die Weihnachtszeit nicht mehr aktuell ist.
Von Holzmasken bis Harley Quinn
Die katholische Kirche ist jedoch nicht der einzige Ursprung. Die Idee sich an der Fasnacht zu verkleiden, entstammt einer keltischen Tradition. Diese diente dazu böse Wintergeister zu vertreiben und die Frühlingszeit einzuläuten. Verkleidungen haben auch bei der Schweizer Fasnacht eine grosse Bedeutung. Viele traditionelle Kostüme sind heute noch beliebt. In Basel ist der «Waggis» wohl die beliebteste Fasnachtsfigur. Die Maske und das dazugehörige Kostüm sieht man zur Basler Fasnacht in vielen Ecken der Stadt. Doch die traditionellen Masken, die mit viel Hingabe und Arbeit aufwendig fertiggestellt werden, sind nicht mehr die meistverbreiteten Kostüme.
Beim Besuch der Fasnacht sieht man heute viel mehr Figuren aus der populären Kultur. 2017 versuchteich am Schmutzigen Donnerstag zu zählen, wie vielen Harley Quinns ich begegne, verlor aber nach zwanzig das Interesse. Die rosa und blauen Zöpfe der DC Figur ist nicht das einzige beliebte Kostüm aus Film und Fernsehen der letzten Jahre. Für Leute, die keinen grossen Aufwand wollen, sind die roten Jumpsuits und Dali Masken der Figuren der Netflixserie „La Casa de Papel“ eine beliebte Option. Superhelden wie Batman oder Spiderman sind auch immer an der Fasnacht unterwegs. Und rein aufgrund der kalten Temperaturen in der Schweizer Winterzeit sind flauschige Ganzkörperanzüge in allen denkbaren Farben, die angeblich Hasen darstellen sollen, eine bequeme und warme Möglichkeit. Ab und zu noch eine holzige Hexenmaske zu sehen, erfreut mich immer. Für die diesjährige Fasnacht freue ich mich wieder auf diese handgefertigten Masken, weiss aber auch, dass ich mich sicherlich durch mehrere Gruppen in grünen Tracksuits à la «Squid Game» schlagen werden muss.
Zittern um die Fasnacht 2022
Den Reiz der Fasnacht verstehe ich, besonders dieses Jahr. Sich zu verkleiden und richtig zu feiern, während dem in der ganzen Stadt die Klänge von Guggenmusikgruppen erklingen, erfüllt sogar eine Fasnachtsskeptikerin wie mich mit etwas Vorfreude. Dies wohl deshalb, da die Fasnacht die perfekte Ablenkung zu unserem jetzigen Alltag sein kann. Aufgrund der Coronapandemie wurde letztes Jahr die Fasnacht in der ganzen Schweiz abgesagt und die Basler mussten auch schon 2020 auf ihre geliebte Fasnacht verzichten. Die Pandemie könnte auch dieses Jahr wieder der Durchführungder Fasnacht zum Verhängnis werden. In Basel sind die Umzüge schon im Dezember abgesagt worden, doch es wird immer noch von einer Durchführung der Fasnacht in irgendeiner Form geredet. Trotz möglicher Corona-Einschränkungen wird die Fasnachtsvorfreude vielerorts immer grösser. Dies ergibt Sinn. Wie könnten wir den – mehrheitlich von der Pandemie bestimmten – Alltag besser vergessen, als wenn wir uns verkleiden und für eine Woche jemand anders sein dürfen?
Einige Fasnachts Vokabulare:
Schmudo: Schmutziger Donnerstag, früh am Morgen, meist um 5:00 Uhr, wird die Fasnacht begonnen
Fötzeliräge: Konfettiregen
Morgenstraich: Beginn der Basler Fasnacht am Montag nach Aschwermittwoch, um 4:00 Uhr ziehen die Piccolos und Trommeln durch die Basler Innenstadt
Schnitzelbängg: Tradition der Basler Fasnacht, satirische Spottlieder über viele verschiedene Themen, die in verschiedenen Theatern und Restaurants vorgetragen werden
Grend: Maske aus Pappmaché
Larve: Basler Bezeichnung für Maske
Zunft: Geht zurück auf Handwerker Zusammenschlüsse des Mittelalters, pflegen die alten Fasnachtsbrauchtümer
Cliquen: Quartiervereinigungen, bereichern die Basler Fasnacht mit Piccolo und Trommel Märschen
Guggenmusik: Blechmusik
Text und Bild: Franziska Schwarz
Infos über die Fasnacht in Freiburgfindet ihr hier: http://www.carnavaldesbolzes.ch