Wie sich der male gaze in Filmen und unserem Alltag zeigt.

Egal ob wir einen Film, eine Serie schauen oder ein Buch lesen, der male gaze findet sich überall. Auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind, sind wir im Alltag mit diesem männlichen Blick konfrontiert. Doch was ist der male gaze eigentlich?

 

Was ist der male gaze?

Der male gaze ist ein Begriff der feministischen Filmtheorie. Er beschreibt, wie Filmregisseur, Kameraführung und Zuschauer eines Filmes die Frau aus einer männlichen, heterosexuellen Perspektive darstellen und wahrnehmen. Filme, die im male gaze gedreht sind, stellen die Frau in den Hintergrund. Sie ist eher passiv als aktiv und nicht notwendig, um die Handlung voranzubringen. Anders als die männlichen Protagonisten, wird die Frau häufig zu einem hübschen Accessoire herabgesetzt. Der Mann hingegen hat eine gewisse Autorität und hat «männliche» Eigenschaften. Er gilt als Held, Retter und Idealbild für die Zuschauer.

 

Harley Quinn

Ein anschauliches Beispiel, um den male gaze zu verstehen, ist der Film «Suicide Squad» (2016). Die Kamera zeigt Harley Quinns Körper von allen Seiten. Ihre Teamkameraden sind im Gegensatz zu ihr in voller Kampfmontur gekleidet und sind aktive Handlungsträger der Geschichte. Beim Filmpublikum ist sie bis heute hauptsächlich als Freundin des Jokers bekannt. Neben diese Eigenschaft trägt sie ansonsten keine wichtige Rolle. Der Fokus liegt allein auf der Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Joker. Ihrem Charakter wird keine weitere Tiefe verliehen. Beispielsweise spielen ihre Wünsche und Aspirationen für den Film keinerlei Rolle.

 

 

Der internalized male gaze

Verinnerlichen Zuschauer diesen male gaze spricht man auch vom internalized male gaze. Die heteronormative, cis-männliche Sicht wird vom Zuschauer übernommen. Die Zuschauer beginnen dann, sich selbst und andere Personen im male gaze zu betrachten. Dabei findet sich dieses Resultat nicht nur beim Kinobesuch, sondern auch in unserem Alltag wieder. Auch in Werbungen wird der weibliche Körper benutzt, gewisse Produkte zu vermarkten, ohne dass die Frau als eigenständige Persönlichkeit eine Bedeutung hat. Zum Beispiel steht eine hübsche Frau in High-Heels neben einem Auto, um dieses zu präsentieren. Dies war in der Zeit, als Autowerbungen nur Männer ansprechen sollten, gang und gäbe.

Die Frau neben dem Auto entspricht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen, hat rasierte Beine und ist dünn. Sie erfüllt somit nur einige der vielen Schönheitsideale, die für Frauen gelten sollten. Hier beeinflusst der male gaze, wie Frauen auszusehen haben. Bis heute versuchen viele Frauen, diesen unrealistischen Schönheitsidealen zu entsprechen. Die meisten sind sich diesem internalisierten männlichen Blick nicht bewusst und versuchen, diese Ideale so gut es geht zu erfüllen. Die Autorin Margaret Atwood drückt den male gaze folgendermassen aus: «Even pretending you aren’t catering to male fantasies is a male fantasy: pretending you’re unseen, pretending you have a life of your own, that you can wash your feet and comb your hair unconscious of the ever-present watcher peering through the keyhole, peering through the keyhole in your own head, if nowhere else. You are a woman with a man inside watching a woman. You are your own voyeur.»

 

Und was jetzt?

In den letzten Jahren gab es in der Modewelt eine gewisse Gegenbewegung zum male gaze. Einige Frauen bleichen sich beispielsweise ihre Augenbrauen oder rasieren sie komplett ab.

Klamotten, Make-up und Frisuren werden so kombiniert, um dem male gaze zu entweichen. Auch konnte in den letzten Jahren beobachtet werden, dass immer mehr Frauen ihren Körper weniger oder gar nicht mehr rasieren. Sie beginnen sich selbst zu fragen, warum sie dies überhaupt tun: Rasiere ich mich, um mir zu gefallen oder um anderen zu gefallen? Zusammenfassend lässt sich also erkennen, dass der male gaze in vielen Bereichen Einfluss genommen hat. Durch die Filme, Bücher und Werbungen, die wir konsumieren, wird unser Blick beeinflusst. Auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind, übernehmen wir den male gaze. Vor allem für Frauen kann dies negative Folgen haben: Sie empfinden, dass sie gesellschaftlich in ein Korsett gezwungen werden und von ihnen Eigenschaften erwartet sind, mit denen sie sich klarerweise nicht identifizieren möchten. Eine freiere, vielfältigere Gesellschaft, in der unterschiedliche Blicke gefördert werden, ist zu befürworten. Um diesen Blick zu ändern, sollten wir damit anfangen, unser Handeln und unsere Sichtweise zu hinterfragen.

 

Text und Illustration: Aliyah Manzke

Beitragsbild: Spiegel Geschichte