Im Schlaf über 800 Kilometer zurücklegen: Das geht mit dem Nachtzug. Ideal, wenn man seinen CO2-Ausstoss reduzieren möchte und gerne in den Schlaf geschaukelt wird.

Langsam fährt der Nightjet aus dem Bahnhof Zürich. Die Liegewagen sind gefüllt mit Reisenden, die sich demnächst schlafen legen werden. Am Morgen werden sie in den Niederlanden wieder aufwachen.

Schlafend unterwegs

Mit dabei ist Jana. Die 24-Jährige verreist schon zum vierten Mal mit dem Nachtzug. Jana ist ein selbsternannter Zug-Fan. Sie findet es spannend, wie sich die verschiedenen Nachtzüge je nach Land unterscheiden.

In den Abteilen der Liegewagen hat man nicht viel Platz, da man sich den Raum mit vier bis sechs Personen teilt – dazu muss man bei einer solchen Reise bereit sein. Die Betten sind schmal, aber nicht wahnsinnig unbequem. Idealerweise schaukelt einen die Bewegung des Zuges in den Schlaf –Umgebungsgeräusche inklusive. Vor allem das Rattern der Räder und die quietschenden Schienen der relativ alten Wagen bleiben in Erinnerung. Luxus sieht anders aus.

Alle ihre Reisen im Nachtzug hat Jana positiv in Erinnerung. Auf die Frage, ob für sie das Reisen im Liegewagen komfortabel sei, antwortet Jana: «Ich würde sagen ja. Ich romantisiere das vielleicht, aber wenn man da so eingekuschelt ist, ist das schon angenehm.» Sie sagt, in neueren Zügen schlafe sie meistens besser, da diese leiser sind.

Langsam reisen, nicht nur nach Amsterdam

Amsterdam ist eines der beliebtesten Reiseziele der Europäer:innen. Aus der Schweiz lässt sich die Grachtenstadt täglich mit dem Nachtzug erreichen. In etwas weniger als zwölf Stunden fährt der Zug über Deutschland in die Niederlande. Von Zürich gibt es neben Amsterdam zahlreiche weitere Nachtverbindungen: zum Beispiel nach Berlin, Hamburg, Prag, Budapest, Wien, Zagreb oder Ljubljana.

 

«Für mich ist es ein kleines Abenteuer, nicht nur eine Reise.»

Die Vorstellung, mit einem Nachtzug zu reisen, wirkt vielleicht altmodisch. Doch in den letzten Jahren ist die Nachfrage danach gestiegen – einerseits auf Grund des zunehmenden Bewusstseins für den Klimaschutz und andererseits wegen des «Slow Travel» Trends. Dabei reist man langsamer und bewusster und setzt auf intensive kulturelle Erlebnisse in der Zieldestination. Nicht das stressige Abklappern von Sehenswürdigkeiten steht im Fokus, sondern das Reisen mit dem Wissen, dass man nicht alles sehen muss. Dabei ist auch die An- und Abreise Teil des Erlebnisses. So auch für Jana: «Für mich ist es ein kleines Abenteuer, nicht nur eine Reise.»

 

Gut fürs Klima

Reisen mit dem Zug ist gut fürs Klima. Mit einer Zugreise von Zürich nach Hamburg stösst man laut SBB 170 Kilogramm CO2 weniger aus als mit dem Flugzeug. Die ökologische Auswirkung ihrer Reise ist auch ein wichtiger Grund, weshalb sich Jana für den Nachtzug entschieden hat. Kurzstreckenflüge kann man gut mit dem Nachtzug ersetzen, wenigstens in die angebundenen Städte. Selbst wenn man nicht der grösste Fan von langen Zugreisen ist.

 

 

Eine teure Sache?

Ein solches Abenteuer kann teuer sein – muss es aber nicht. Je nach Jahreszeit und je nach Destination kosten Plätze im Liegewagen nur 60 Franken. Dieser Preis kann durchaus mit Flugpreisen mithalten. Dazu spart man sich je nach dem eine Übernachtung in einem Hotel – und beim Gepäck sind auch keine Limiten vorhanden. Auch für Jana ist der Preis ausschlaggebend: «Der Kostenpunkt spielt schon eine Rolle. Die Reise nach Amsterdam war relativ günstig, weil wir früh gebucht haben. Wenn der Nachtzug zu teuer ist, würde ich ihn auch nicht wählen.»

Ausbaupotenzial vorhanden

Das Angebot an Nachtzugverbindungen ist ausbaufähig. Die Planung neuer Strecken ist allerdings holprig. Das Projekt eines Nachtzugs von Zürich nach Barcelona konnte mangels finanzieller Mittel der SBB nicht umgesetzt werden.

Ausserdem könnten die Zugunternehmen durch die Modernisierung der Wagen neue Kund:innen gewinnen und dadurch die Erfahrung aller Reisenden bereichern. Auch Jana wünscht sich eine Erweiterung des Angebots. Wichtig findet sie, dass das bestehende Angebot zuverlässig funktioniert. Dann steht einem grossartigen Abenteuer mit dem Nachtzug nichts im Weg.

 

Text Angelika Scholz

Foto Simon Tartarotti (Unsplash)