In der aktuellen Ausgabe berichtet Spectrum über die wundersame Expansion der Bad Bonn Kilbi. Das Gastspiel der Kilbi in Zürich vom letzten Wochenende haben wir uns denn auch nicht entgehen lassen. Ein Erfahrungsbericht.


Vor dem Moods im Schiffbau sitzt menschliche Dekoration und strickt. Ein kreativer Versuch, etwas Gemütlichkeit in die grosse Halle zu bringen – noch wirken die zwei einsam Strickenden an ihrem Tischchen jedoch etwas verloren. Wir haben leider keine Zeit, uns zur Dekoration zu gesellen. Eben hat das erste Konzert im Moods begonnen.


Die Bad Bonn Kilbi, ursprünglich in Düdingen zuhause, organisierte dieses Jahr zum zweiten Mal ein Winterfestival in Zürich: Die Kilbi im Überall. Knapp dreissig Bands und DJs bespielten am vergangenen Freitag- und Samstagabend vier Clubs rund um die Hardbrücke in Zürichs Westen. Den Auftakt im Moods machten The Pyramids. Die fünf bereits etwas älteren Herren geben sich gerne sehr afrikanisch, stammen aber aus Ohio in den USA. Passend also die Outfits des Frontmannes Idris Ackamoor: Er betritt die Bühne in einem skurrilen Leopardenfellkostüm und wechselt zur Mitte des Konzerts in einen glitzernden Las-Vegas-Anzug.


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Suaheli oder Nonsense?


Die Musik der Pyramids wird gerne als „Spiritual Free Jazz“ bezeichnet, was sich am Samstagabend als ein unglaublich unterhaltsames Zusammenspiel zwischen afrikanischer Musik und Jazz entpuppt. Ackamoor und seine Bandkollegen turnen auf der Bühne mehr oder weniger behäbig in einem wahren Dschungel von Instrumenten herum, welche wahlweise dem Antiquitätengeschäft, dem Franz Carl Weber oder dem Zwei-Franken-Fünfzig-Laden zu entspringen scheinen. Favorit des Auftritts bleibt eine Art kleines Spielzeugmikrofon, das rot aufleuchtet, wenn Kenneth Nash seine Vocals hindurch schickt. Ob Nash tatsächlich in einer afrikanischen Sprache singt oder einfach nur sehr passend klingenden Nonsense von sich gibt, bleibt ein Rätsel.


Schade, sind so früh am Abend nur wenige Leute im Moods, die den spektakulären Auftritt verfolgen – er bleibt einer der erinnerungswürdigsten. Gewärmt von den afrikanischen Jazzklängen stürzen wir uns in die Winterjacken und stapfen durch Schnee und Eis zum Bogen F. Dort spielen Clara Luzia aus Österreich vor einem merklich grösseren Publikum. Clara Luzia Maria Humpel ist eine österreichische Singer-Songwriterin in Begleitung von Schlagzeugerin und Bassist/Pianist. Ihre fragile Stimme schwebt über teils erwartungsgemäss ruhigen Songs und dann wieder über ziemlich harten und lauten Instrumentaleinlagen.


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King of Rock

Bald wieder machen wir uns auf den Weg, diesmal ist der nächste Halt das Helsinki mit Sedlmeier. Wir sind zu früh da und wundern uns über das relativ erfolglose Hipster-Spotting an der Zürcher Kilbi. Auf dem Schauplatz Düdingen im Sommer ist jeweils einer der grössten Hipster-Aufläufe des Landes zu beobachten. Am letzten Wochenende beschränkt sich das Phänomen auf vereinzelte dünne Beinchen in Röhrenjeans unter immensen Winterjacken. Hingegen schwirrt viel Senslerdeutsch und ab und zu Französisch in der Luft; es scheint, als hätten einige Freiburger den Weg nach Zürich auf sich genommen.


Die Reflexionen werden unterbrochen durch Sedlmeier. Es herrscht ja die weit verbreitete Meinung, Elvis sei der « King of Rock’n’Roll ». Henning Sedlmeier belehrt uns eines Besseren: Er ist es. Schliesslich braucht er für seinen dichten, schmissigen Sound nicht mal eine Band. Drum-Computer, rote Gibson und eine übercoole Show reichen komplett. „Keine Diamanten / kein Gold / Menschen / brauchen Rock’n’Roll“, singt er. Und wenn Rock’n’Roll, dann bitte Sedlmeier. Wir amüsieren uns köstlich, lassen Sedlmeier weiterrocken und queren zurück zum Moods. Dort kommen wir rechtzeitig für die letzten Songs der kalifornischen No.


Vom Punk zur Predigt


Dass wir nicht das ganze Set von No sehen, ist nicht weiter tragisch. Sie spielen angenehmen, aber etwas gewöhnlichen Indie-Folk. Ihr melancholischer Ernst ist ein gar grosser Kontrast zum blödelnden Sedlmeier. Drum gehen wir ziemlich rasch weiter ins Exil, wo sich Mission of Burma vorstellen: „Hello, we are Pink Floyd“. Diese Verwechslungsgefahr besteht beileibe nicht, hingegen weist der Gitarrist eine äusserst verwirrende Ähnlichkeit mit Jack Black auf. Wie auch immer: Mission of Burma spielen ehrlichen, schnörkellosen Punk als hätten die drei Musiker nie etwas anderes gemacht. Kein so abwegiger Gedanke, liegen die Wurzeln der Band aus Boston doch in den späten Siebzigerjahren.


Im Moods beginnt kurz darauf die Predigt von Father John Misty. Der Ex-Drummer der Fleet Foxes, Joshua Tillman, füllt mit seiner Entourage das Moods mit einem dichten, folkigen Sound. Zwischen den Songs spart der Sänger mit dem extravaganten Tanzstil nicht mit trockenen Kommentaren zum Zeitgeschehen („Thank God Mitt Romney won this election!“). Eine unterhaltsame Show und raffiniert swingende Folkmusik garniert mit Country-Elementen, die uns den nächsten Programmpunkt N.I.C.H.T.S! 2.0 im Helsinki verpassen lässt. Macht nichts, Father John Misty bildet einen schönen Abschluss für den prallgefüllten Abend mit einigen musikalischen Entdeckungen. Wir lassen deshalb die zahlreicher gewordene menschliche Dekoration vor dem Moods weiterstricken – Schals und Socken nehmen langsam Form an – und machen uns auf den Heimweg.


Text und Fotos von Nadja Sutter