Stefan Truffer ist Masterstudent mit Hauptfach Geschichte und Nebenfach Religionswissenschaft und studiert momentan im 9. Semester. Insgesamt war er für rund sechs Monate im Frühlingssemester 2011 an der Università degli Studi di Firenze eingeschrieben.

Warum hast du Florenz für dein Auslandsemester gewählt?

In erster Linie hat es mich gereizt, in Italien ein Auslandsemester zu absolvieren. Aufgrund von familiären Bezügen zu unserem südlichen Nachbarstaat, wollte ich meine Italienischkenntnisse weiter verbessern und das Land umfassender kennenlernen. Die anschliessende Stadtwahl gestaltete sich ebenso einfach. Florenz hat mich seit jeher fasziniert: Sei es das attraktive Stadtbild, die unzähligen Kunstwerke oder die teilweise legendenbehaftete florentinische Geschichte. Die exzellenten kulinarischen Köstlichkeiten sind ebenfalls nicht zu verachten. Darüber hinaus harmonisierte meine Städtewahl mit dem Themengebiet meiner beabsichtigten Masterarbeit.

Was ist anders am Studium in Italien?

Mein Blick auf das Studium in Florenz ist in gewisser Weise doppelbödig. Auf der einen Seite scheint sich der akademische Alltag weitaus gelassener abzuspielen als in unseren Breitengraden, auf der anderen Seite mischt sich in Italien dennoch eine gewisse Hektik ein. Diese Hast rührt insbesondere daher, dass die administrativen Abläufe, Bürostellen und universitären Institutionen Unsicherheiten und Stresssituationen bei den Studierenden hervorrufen können. Als Schweizer Student musste ich mich an jene Umstände, die bei uns häufig als „Italienische Verhältnisse“ umschrieben werden, erst gewöhnen.

Dennoch gestalten sich die Veranstaltungen im Einzelnen sehr interessant. Für das Geschichtsstudium ist mir aufgefallen, dass in Florenz weitaus weniger am Seminarstil festgehalten wird. Vielmehr werden Vorlesungen mit anschliessender Prüfung organisiert. Hier überrascht dann allerdings die thematische Vielfalt des akademischen Angebots.

Was könnte die Uni Freiburg von der Università degli Studi di Firenze lernen?

Zuerst einmal müsste die Uni Fribourg die Kaffee-Auswahl in den Cafeterien verbessern. Ein guter italienischer Espresso weckt die Lebensgeister und ist aus dem italienischen Alltag kaum wegzudenken. Doch Spass beiseite: Die Uni Florenz bietet zahlreiche Anlässe, wo sich die Studierenden aus den diversen Nationen austauschen können. So erhält man etwa als Student auch einmal einen Einblick in die Dissertationsarbeit eines Amerikaners in Florenz. Bei solchen Anlässen treffen sich jedoch nicht ausschliesslich Studierende in einem Austauschprogramm. Auch die italienischen Kommilitonen nehmen häufig an solchen Veranstaltungen teil. So gab es etwa eine „universitäre Weltausstellung“, wo sich die diversen Länder vorstellen durften.

Und was könnte im Gegenzug die „Uni Florenz“ von der Uni Freiburg lernen?

Bezüglich des akademischen Informationsflusses könnte die Uni Florenz ein Vorbild an Fribourg nehmen. Vor allem die Internet-Plattformen bestechen in Florenz durch ein chronisches Manko an Aktualität und Übersichtlichkeit. Auch die teilweise eingeschränkten Nutzungsbedingen der Bibliotheken lassen zu wünschen übrig.

Inwiefern unterscheidet sich das Leben, der Alltag in Italien von jenem in der Schweiz?

Insgesamt spielt sich der italienische Alltag stärker im öffentlichen Raum ab. Meist beginnt bereits das Frühstück an einem der meist überfüllten „bancos“ der zahlreichen Bars. So trifft man sich denn auch abends auf einem der grösseren Kirchvorplätze und diskutiert über das Tagesgeschehen, die politischen Ereignisse oder die gute Küche eines neuen „Ristorante“. Auch die täglichen Lebensmittelmärkte sind ein Faszinosum für sich.

Was hat dir besonders gefallen in deinem Auslandsemester?

In Florenz war ich vor allem von den zahlreichen Ausflugsmöglichkeiten begeistert. Als Geschichtsstudent profitiert man ungemein von den massenhaft vorhandenen Museen, Kulturanlässen und Städteausflügen. Neben der Ruhe an den toskanischen Küstenorten reizen etwa Städtchen wie Arezzo, Pisa, Lucca, Orvieto, Prato, usw.

Was hast du von der Schweiz in Italien vermisst?

Neben dem öffentlichen Verkehr der Schweiz, habe ich in den kälteren Monaten vor allem eine durchgehend betriebene Hausheizung vermisst. Auch das löchrige Ciabatta-Brot hätte ich gerne mal mit einem schönen Roggenbrot ausgetauscht.

Würdest du ein Auslandsemester in Florenz weiterempfehlen?

Auf jeden Fall würde ich ein Semester in Florenz weiterempfehlen. Vor allem für die geisteswissenschaftlichen Fächer bietet die Uni Florenz ein breites Angebot. Daneben liefert die Stadt und das Umland genügend Anschauungsmaterial, um sich abseits der Uni kulturell weiterzubilden und  sich wohlzufühlen.

Interview von Nadja Sutter (Spectrum #1/2012 März)