Astrid Epiney, die designierte Rektorin der Universität Freiburg, tritt im März ihr Amt an. Im Interview mit „spectrum“ spricht sie über anstehende Projekte, äussert ihre Skepsis gegenüber Hochschulrankings, bekräftigt die Wichtigkeit des Studienzentrums „Islam und Gesellschaft“ und gesteht: „Ich bin mitunter etwas ungeduldig.“

Von Elia Kaufmann

Frau Epiney, sie sind Professorin für Völker- und Europarecht, Direktorin des Instituts für Europarecht, passionierte Bergläuferin, Organistin und ab März 2015 Rektorin der Universität Freiburg. Wo werden Sie sich einschränken?

Hauptsächlich werde ich wohl bei der Tätigkeit als Professorin zurückstecken müssen. Aus der Lehre – eine Tätigkeit, die ich sehr schätze – werde ich mich zwar nicht ganz zurückziehen, jedoch nur noch wenig tätig sein. Mein Ersatz ist auch schon durch die Fakultät beschlossen. Auch die Forschungstätigkeiten werde ich sehr reduzieren müssen. Aber auch hier möchte ich mich nicht ganz verabschieden, wobei grössere, zeitaufwendigere Projekt nicht mehr realistisch sind. Derzeit versuche ich, noch einige Vorhaben fertigzustellen.

Wie werden die Studenten merken, dass nun Frau Epiney das Zepter an der Universität Freiburg übernommen hat?

Darf ich ehrlich sein? Wohl gar nicht, jedenfalls soweit der Alltag als Studierende betroffen ist. Mit den Studierenden halte ich regelmässigen Kontakt über die AGEF. Die „normalen“ Studierenden haben hingegen kaum direkt Kontakt zum Rektorat, sondern sie werden von den Fakultäten oder den Departementen betreut. Im Übrigen kann es auch ein gutes Zeichen sein, dass ein Rektorat bei den Studierenden nicht allzu viele Schlagzeilen macht, ganz abgesehen davon, dass man auch seine eigene Wichtigkeit nicht überschätzen sollte (lacht).

Aber sie haben schon eigene Projekte?

Was ich eben gesagt habe, bedeutet nicht, dass ich keine Projekte habe oder keine Schwerpunkte setzen möchte. Ich denke, es gibt eine ganze Reihe von wichtigen Dingen, die eine grosse Aufmerksamkeit erfordern werden. Da ist zunächst einmal die Einbettung in die Schweizerische Hochschullandschaft, insbesondere mit dem neuen Hochschulgesetz, welches konkrete und bedeutende Auswirkungen auf die Universität Freiburg hat. Dann sind Anpassungen an das neue Gesetz von Freiburg nötig, die Realisierung neuer Gebäude steht an und die interfakultäre Zusammenarbeit soll gefördert werden. Zudem gilt es, die sehr guten internationalen Beziehungen weiter zu pflegen. Gute Rahmenbedingungen für die Forschung sollen gefördert werden und ganz allgemein sollen die Kontakte auch nach aussen intensiviert werden. Dadurch wird auch die gesellschaftliche Verantwortung der Universität unterstrichen.

Sie haben gesagt, dass das neue Hochschulgesetz spürbare Auswirkungen auf die Universität Freiburg hat. Inwiefern?

Es werden Akkreditierungsrichtlinien erlassen. Jede Universität muss sich akkreditieren lassen, um Bundessubventionen zu erhalten. Hier geht es um die Frage, wie die Anforderungen an diese Akkreditierung ausgestaltet werden. Ich werde mich im Rahmen des Möglichen dafür einsetzen, dass diese schlank gehalten werden, um ein bürokratisches Monster zu vermeiden. Ein zweiter ganz besonderer Punkt werden die Finanzen sein. Der Schlüssel für die Bundessubventionen, welchen es neu auszuhandeln gilt, wird natürlich immense Auswirkungen auf die Universität Freiburg haben.

Die „Times Higher Education“ veröffentlichte jüngst ein Hochschulranking. Dabei rangierten fast alle Schweizer Volluniversitäten auf den Plätzen 1 bis 150. Die Universität Freiburg schaffte es nur knapp unter die besten 300. Hat die Universität Freiburg ein Qualitätsproblem?

Nein. Vor allem stehe ich dem Ranking etwas skeptisch gegenüber, denn es ist primär eine Darstellungsfrage. Ich glaube, dass die jüngsten wissenschaftlichen Forschungen in diesem Bereich sich darüber einig sind, dass Rankings nicht sonderlich viel über die Qualität aussagen.

Wie meinen Sie das?

Schauen sie sich einmal Universitäten in arabischen Staaten an. Die holen für teures Geld drei Monate lang irgendwelche Leute aus renommierten Universitäten zu sich. Die Publikationen dieser Professoren zählen dann als Rankginkriterien für die betroffenen Universitäten.  Sie sehen an diesem zugegebenermassen etwas extremen Beispiel, dass diese Rankings mit grosser Vorsicht zu geniessen sind.

Und wie erklären Sie sich konkret das schlechte Abschneiden der Universität Freiburg?

Da werden vor allem die Anzahl Nobelpreise gezählt. Wir sind stark in Bereichen, in denen es keine Nobelpreise gibt. Für Altphilologen, zahlreiche sonstige Bereiche in den Geisteswissenschaften oder Juristen gibt es zum Beispiel keinen Nobelpreis. Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass Publikationen von Medizinern besonders stark gewichtet werden. Hier sind natürlich diejenigen Universitäten, welche eine medizinische Fakultät haben, klar im Vorteil. Die Universität Freiburg hat kein Qualitätsproblem, das zeigen die Resultate aus den Akkreditierungsverfahren.

Die Universität Freiburg steht mit dem Studienzentrum „Islam und Gesellschaft“ in der Kritik. Wie beurteilen Sie das Vorhaben der SVP, die Pläne mit einer Volksinitiative zu Fall zu bringen?

Skeptisch. Das wird Sie nicht erstaunen. Ich denke, es gibt hier zwei Aspekte: Einerseits die akademische Freiheit und die Autonomie der Universität. Grundsätzlich liegt es in der Kompetenz der Universität, über solche Forschungszentren zu beschliessen. Eine solche Initiative würde meines Erachtens hieran ziemlich kratzen. Anderseits ist es auch überhaupt sicher, dass eine solche Initiative mit Bundesrecht vereinbar ist. Denn in der Bundesverfassung wird zum einen die Lehr- und Forschungsfreiheit und zum andern die Autonomie der Universitäten gewährleistet.

Sie haben jetzt den rechtlichen Aspekt ins Feld geführt, was sagen Sie zum inhaltlichen Aspekt?

Wie der jetzige Rektor bin ich dezidiert der Meinung, dass dieses Zentrum sinnvoll und notwendig ist und im Übrigen an der Uni Freiburg ideal angesiedelt ist. Eine Universität soll ja auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Und dann spielt sie auch in der Frage des Zusammenlebens verschiedener Kulturen in einem Staat eine Rolle. In der Schweiz lebt eine bedeutende Zahl von Muslimen. Diese Menschen leben hier, praktizieren hier ihre Religion. Und wir haben als Staat und Gesellschaft Interesse daran, dass sich das Zusammenleben friedlich gestaltet. Die beste Voraussetzung dafür ist, dass man durch ein akademischen Zentrum einen Dialog schafft. So ist es möglich, das eigene Glaubensverständnis mit anderen konfrontativ und diskursiv zu behandeln. Zudem können Aspekte des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Religionen in einem demokratischen Rechtsstaat erörtert werden. Genau dafür steht das Zentrum „Islam und Gesellschaft“. Es ist deshalb, denke ich, ein Muss für die Schweiz. Ich hoffe sehr, dass die SVP die Initiative nicht lanciert.

Wir haben zu Beginn des Interviews Ihr breites Tätigkeitsfeld erwähnt. Man sieht, dass Sie viele Stärken haben. Hat Frau Epiney auch ganz persönliche Schwächen?

Ich bin mitunter etwas ungeduldig. Da arbeite ich daran, schon länger. Im Übrigen gibt es mit Sicherheit gewisse Dinge, die ich nicht so gut kann, aber dafür arbeitet man ja im Rektorat im Team.